Der Dichter Eugen Gomringer wird in seiner oberfränkischen Wahlheimat Anfang Juni doppelt geehrt.
24.05.2018

An einer Hausfassade im Zentrum von Rehau wird am Samstag nächster Woche sein Gedicht "Avenidas" enthüllt, um das in den vergangenen Monaten eine scharfe öffentliche Debatte entbrannt war. Am selben Tag nimmt Gomringer in der Stadt den Kunstpreis des Landkreises Hof entgegen, wie die Verwaltung am Donnerstag mitteilte: Mit der Auszeichnung, die mit 2.500 Euro dotiert ist, werde das Lebenswerk eines der bedeutendsten Lyrikers und Kunstkenners der Gegenwart gewürdigt, hießt es zu Begründung.

Eugen Gomringer, Sohn eines Schweizers und einer Bolivianerin, lebt seit 1976 in Rehau und gründete dort im Jahr 2000 das Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie. Der heute 93-Jährige gilt als Begründer der Konkreten Poesie, bei der die visuelle Gestaltung der Texte wesentliches Element einer Dichtung ist. Eine frühe Schöpfung dieser Form ist das 1953 entstandene Gedicht "Avenidas" ("Alleen"), das seit 2011 eine Hauswand der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin geschmückt hatte.

Streit um Freiheit von Kunst

Im vergangenen Jahr hatte sich an dem Text in spanischer Sprache eine heftige Auseinandersetzung um die Freiheit von Kunst entzündet: Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) wertete das Gedicht als Ausdruck von Sexismus, weil darin angeblich Frauen zum "Objekt männlicher Bewunderung" degradiert würden. Während der Autor selbst von einem "absurden Vorwurf" sprach, entschloss sich der Akademische Senat, das Gomringer-Gedicht übermalen zu lassen und durch einen anderen Text zu ersetzen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bezeichnete diesen Schritt als einen "erschreckenden Akt der Kulturbarbarei".

Unmittelbar nach der Entscheidung in Berlin sprach sich die Stadt Rehau noch Ende Januar dafür aus, dem Gedicht "Avenidas" einen Platz im öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Damit wolle die Stadt ihre Weltoffenheit zum Ausdruck bringen, hieß es: "In Rehau wird das Gedicht nicht als sexistisch beurteilt, wohlwissend, dass es immer mehrere Interpretationsmöglichkeiten für dasselbe Gedicht gibt." Auch weitere Städte haben unterdessen angekündigt, den Text auf Hausfassaden zu veröffentlichen.

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