Der Schriftsteller und Historiker Klaus-Rüdiger Mai hat eine aus seiner Sicht zu starke Politisierung der Kirchen kritisiert.
10.04.2018

Die Kirche müsse ihr Handeln wieder stärker aus dem Glauben speisen, "anstatt aus Angst vor dem Zeitgeist wie eine Moralagentur aufzutreten", sagte Mai dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das betreffe neben politisierten Predigten, wie sie zuletzt etwa "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt kritisiert hatte, auch offizielle Stellungnahmen von Kirchenoberen, ergänzte der Autor, dessen Streitschrift zu diesem Thema in dieser Woche erscheint.

Als Beispiel nannte Mai eine Äußerung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD im Bund. Wenn Bedford-Strohm "die SPD-Mitglieder dazu auffordert, einer Neuauflage der großen Koalition zuzustimmen, kann er das als Bürger und als SPD-Mitglied natürlich tun - aber nicht als EKD-Ratsvorsitzender", kritisierte Mai: "Dann agiert er nämlich parteipolitisch."

Persönliche Einschätzung weggelassen

Bedford-Strohm hatte die Einigung von Union und SPD im Februar auf seiner persönlichen Facebook-Seite begrüßt. Dieser Eintrag wurde vielfach kritisiert, da er als Aufforderung verstanden wurde, beim SPD-Mitgliederentscheid für die große Koalition zu stimmen. Bedford-Strohm verteidigte sich damit, dass er seine persönlichen Einschätzungen zu dieser Frage bewusst unerwähnt gelassen habe.

Mai äußerte sich mit Blick auf seine Streitschrift "Geht der Kirche der Glaube aus?", die die Evangelische Verlagsanstalt in Leipzig in dieser Woche veröffentlicht. Er habe das Buch "aus der Sorge eines Christen um seine Kirche" geschrieben und wolle zur Diskussion anregen, erklärte der praktizierende evangelisch-lutherische Christ. Mai schreibt historische Romane und Sachbücher, darunter die Luther-Biografie "Prophet der Freiheit". Er ist 54 Jahre alt und lebt und arbeitet in Zossen bei Berlin.

"Absurd und keinerlei Inhalt"

Der Kirche empfahl der Autor eine Rückbesinnung auf Glaubensinhalte. "Ich habe den Eindruck, dass Glaube durch Gesinnung ersetzt wird und die parteipolitische Überzeugung mehr gilt als der christliche Glaube", erklärte Mai. Die Kirche habe kein Recht, "ihren Gliedern eine christliche Einstellung abzusprechen, wenn sie nicht den eigenen parteipolitischen Vorstellungen entspricht". Er halte solch ein Vorgehen "für ein großes Übel", betonte Mai.

Mit Blick auf die Zuwanderung der zurückliegenden Jahre warf Mai den Kirchen "pseudo-moralisches Geschwätz" vor. Sätze wie "Menschlichkeit kennt keine Obergrenze" seien absurd und hätten keinerlei Inhalt, sondern führten dazu, "dass wir das Mögliche nicht machen, weil wir das Unmögliche wollen", betonte Mai. Politik sei die Kunst des Möglichen, nicht des Wünschbaren, fügte er hinzu.

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