Die Essener Tafel
epd-bild/Thomas Berend
Die Essener Tafel hatte mit ihrem Aufnahmestopp für Ausländer erst Empörung geerntet, dann Verständnis erfahren. Das Abarbeiten am Einzelfall geht am Thema aber vorbei, finden Sozialverbände. Verfehlte Sozialpolitik verursache neue Verteilungskämpfe.
06.03.2018

Vor dem Hintergrund der Debatte um die Essener Tafel macht ein Bündnis aus Sozialverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen die Politik für drohende neue Verteilungskämpfe verantwortlich. "Dass Menschen, egal welcher Herkunft, überhaupt die Leistungen der Tafeln in Anspruch nehmen müssen, ist Ausdruck politischen Versagens in diesem reichen Land", heißt es in einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Erklärung des Bündnisses, dem unter anderen der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Bundesverband der Tafeln, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeiterwohlfahrt angehören.

Die Essener Tafel hatte mit ihrem Beschluss, keine Ausländer mehr anzunehmen, für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte über soziale Leistungen für Deutsche und Migranten ausgelöst. Für Kritik sorgt das auch beim Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. Die Entscheidung sei ganz objektiv eine ethnische Diskriminierung und müsse korrigiert werden, sagte er.

Armut werde verharmlost

Das Bündnis aus insgesamt mehr als 30 Organisationen warnte zugleich, arme Menschen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es sei ein Skandal, dass die politisch Verantwortlichen das seit Jahren bestehende Armutsproblem verharmlosten. "Damit drohen neue Verteilungskämpfe", heißt es in der Erklärung.

Die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen, sagte, nicht die Flüchtlinge hätten Probleme verursacht, sondern eine verfehlte Sozialpolitik sei dafür verantwortlich. "Die Menschen werden schon seit Jahren zu den Tafeln getrieben", sagte die Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg. Die Tafeln seien bereits vor der Fluchtbewegung zu "Ausputzern" geworden. Flüchtlinge würden zu Sündenböcken gemacht für Missstände, die es bereits ohne sie gegeben habe, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, dessen Organisation auch Teil des Bündnisses ist.

Die Organisationen erneuern in ihrer Erklärung die Forderung nach einer Erhöhung der Regelsätze in der Altersgrundsicherung, für Hartz-IV-Empfänger und der Leistungen für Asylbewerber, die unter denen der Sozialhilfe liegen. "Die Sicherung des Existenzminimums ist Aufgabe des Sozialstaates und nicht privater Initiativen und ehrenamtlichen Engagements", sagte Schneider.

Schneider: Kein Wort über Hartz-IV

Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes rechnete vor, im Hartz-IV-Regelsatz seien für einen Single pro Tag 4,77 Euro für Ernährung vorgesehen, für größere Kinder 3,93 Euro und für Kinder im Vorschulalter 2,77 Euro. Damit seien die Tafel kein Zusatz mehr, sondern stellten das Existenzminimum sicher. Dafür sei aber der Staat zuständig.

Schneider kritisierte, der Koalitionsvertrag greife das Thema Armut nicht genügend auf. Über Hartz-IV-Regelsätze sei kein Wort darin zu lesen. Das Bündnis werde hier weiter "Druck aufbauen", kündigte er an.

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