Eine Amnesty-Lichtinstallation in Berlin erinnert an inhaftierte Menschenrechtler (September 2017)
epd-bild/Rolf Zoellner
Keine 24 Stunden nach Erleichterung und Jubel herrscht bei Amnesty International Fassungslosigkeit und Empörung. Nach einer Kehrtwende der türkischen Justiz kommt Landeschef Kilic doch nicht frei.
01.02.2018

Der türkische Amnesty-Landeschef Taner Kilic bleibt in Haft: Ein Gericht in Istanbul hob am Donnerstag laut Amnesty International seine erst am Vortag getroffene Entscheidung auf, Kilic nach acht Monaten Gefängnis aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Menschenrechtsorganisation reagierte empört und rief zu internationalem Druck auf die Türkei auf.

"Die Freilassung gewährt zu bekommen, nur um die Tür zur Freiheit so kaltschnäuzig wieder vor der Nase zugeschlagen zu bekommen, das ist niederschmetternd für Taner, seine Familie und alle, die sich in der Türkei für Gerechtigkeit einsetzen", erklärte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. Während die Familie am Mittwoch und über Nacht vor den Gefängnismauern von Izmir auf die Freilassung wartete, wurde Kilic laut Amnesty in Polizeigewahrsam gebracht, nachdem die Staatsanwaltschaft Berufung gegen die Freilassungsanordnung eingelegt hatte.

Entscheidung widerrufen

Ein zweites Gericht habe dann am Donnerstag der Berufung stattgegeben und den Fall an das erste Gericht zurückverwiesen. Dieses habe schließlich seine Entscheidung vom Vortag widerrufen. "Taner Kilic muss wieder ins Gefängnis, nachdem es gestern so schien, als käme er nach 240 Tagen Untersuchungshaft endlich frei", beklagte Amnesty. Eine Freilassung hätte keinen Einfluss auf das weiter laufende Verfahren wegen Terrorverdachts gegen Kilic gehabt.

Amnesty spricht von "grotesken Anschuldigungen". In der Gerichtsverhandlung am Mittwoch sei noch einmal deutlich geworden, dass Taner Kilic vollkommen unschuldig 240 Tage in Untersuchungshaft saß, betonte der Generalsekretär in Deutschland, Markus N. Beeko. "Die Nacht-und-Nebel-Aktion der türkischen Behörden, die jetzt zur Revidierung der Freilassung geführt hat, offenbart erneut die politische Instrumentalisierung der türkischen Justiz." Alle europäischen Regierungen blieben gefordert, bei der türkischen Regierung auf eine unabhängige Justiz und eine freie Presse zu dringen.

Bei Razzia in Istanbul festgenommen

Der nächste Verhandlungstermin ist für den 21. Juni anberaumt. In demselben Prozess ist auch der Deutsche Peter Steudtner angeklagt, der im Oktober gemeinsam mit neun Mitangeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen worden war und nach Deutschland zurückkehrte.

Steudtner und die meisten der anderen angeklagten Aktivisten waren im Juli 2017 nach einer Razzia bei Istanbul festgenommen worden. Kilic war schon seit Juni inhaftiert. Den Angeklagten drohen wegen der Terrorvorwürfe bis zu 15 Jahre Haft. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 geht die türkische Regierung mit massiver Repression gegen Kritiker vor.

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