Der Werkschutz observierte und denunzierte: Mancher linke Aktivist unter den Arbeitern wurde auf dem Firmengelände von VW do Brasil inhaftiert und gefoltert. Das belegt eine Studie, die der Autokonzern selbst über eine düstere Zeit in Auftrag gab.
15.12.2017

Volkswagen stellt sich seiner Vergangenheit während der Diktatur in Brasilien: Der Autokonzern arbeitete einer unabhängigen Untersuchung zufolge aktiv und systematisch mit dem Militärregime (1964-1985) zusammen. "Der Werkschutz überwachte oppositionelle Aktivitäten seiner Beschäftigten und erleichterte durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", betont der Bielefelder Historiker Christopher Kopper in einer vom Unternehmen am Donnerstag (Ortszeit) in São Bernardo do Campo vorgelegten Untersuchung.

Volkswagen habe aktiv mit der Geheimpolizei zusammengearbeitet. Diktaturopfer werfen dem Konzern vor, auf dem Werksgelände gefoltert worden zu sein. Volkswagen habe die Militärdiktatur bis zum Ende der 70er Jahre "uneingeschränkt gebilligt", heißt es in dem Bericht. Das Unternehmen habe sich dadurch ein günstiges Marktumfeld sichern wollen.

Zusammenarbeit mit Geheimpolizei

Mit umfangreicher Korrespondenz der Werksleitung in Brasilien an den Mutterkonzern in Wolfsburg wird dies belegt. Die Jahre der Militärdiktatur waren auch für Volkswagen wirtschaftlich erfolgreich. Rund 28.000 Mitarbeiter beschäftigte der Autobauer in seinem Werk in São Bernardo do Campo in der Nähe von São Paulo zu dieser Zeit.

1969 habe die Zusammenarbeit des Werkschutzes mit der Geheimpolizei begonnen, heißt es. "Die Informationen des Werkschutzes über die Funde illegaler Flugblätter und Zeitungen halfen der Politischen Polizei, Informationen über kommunistische Aktivitäten bei VW zu gewinnen und den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen." Zahlreiche oppositionelle Arbeiter wurden aufgrund dieser Informationen verhaftet und gefoltert. Der bekannteste Arbeiter ist der spätere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der zu dieser Zeit Gewerkschaftsführer war. Auch Lula wurde vom Werkschutz observiert, diese Informationen führten dann zu seiner Verhaftung.

2014 legte die brasilianische Wahrheitskommission CNV ihren Bericht vor und prangerte an, Volkswagen habe einen repressiven Unterdrückungsapparat aufgebaut und systematisch mit der Geheimpolizei zusammengearbeitet. Nach dem öffentlichen Druck beauftragte der Autobauer den Historiker Kopper mit einer unabhängigen wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Opfer haben bereits 2015 in Brasilien Zivilklage gegen das Unternehmen eingereicht. Zwölf ehemalige Mitarbeiter waren laut Klageschrift festgenommen und gefoltert worden. Dutzende Mitarbeiter seien auf schwarzen Listen geführt und entlassen worden. "Volkswagen hat mir Jahre meines Lebens geraubt", erklärte der ehemalige Arbeiter Lúcio Bellentani, der 1972 nach Denunzierung des Werkschutzes festgenommen und auf dem Gelände von Volkswagen nach eigener Aussage gefoltert wurde. Er saß danach 16 Monate in Haft. Indirekt sei VW für zahlreiche Fälle von Folter und Verfolgung verantwortlich gewesen, erklärte der heute 73-Jährige. Das Unternehmen müsse den Anstand haben, diese Verantwortung anzuerkennen.

Seit 1953 tätig in Brasilien

"VW muss sich konkreter und deutlicher äußern", sagte auch sein Anwalt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bellentanis Aussage ist in der Studie ausführlich dokumentiert. Kaleck will mit ihm zusammen mögliche strafrechtliche Konsequenzen prüfen. "Aber wir hoffen auf eine schnelle Verhandlungslösung", sagte er mit Blick auf VW.

Volkswagen hatte früheren Medienberichten zufolge erklärt, das Unternehmen stehe bereits in Verhandlungen mit den Opfern über eine Entschädigung und erkenne seine moralische Verantwortung an. Dazu gab es am Freitag keine Bestätigung von der Konzernzentrale in Wolfsburg.

Volkswagen do Brasil ist seit 1953 in dem südamerikanischen Land tätig und dort der größte Autobauer. Auf dem Gelände des Werks in São Bernardo do Campo wurde eine Gedenktafel für die Opfer des Regimes enthüllt.

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