Intersexuelle wehren sich gegen OPs bei Kindern.
epd-bild / Daniel Peter
Intersexuelle Menschen sind nach der Anerkennung eines "dritten Geschlechts" durch das Bundesverfassungsgericht optimistisch, dass sich ihre Situation verbessern wird.
06.12.2017

"Ich habe die Hoffnung, dass vor allem das Leid der Genitalverstümmelung bald ein Ende hat," sagte Lucie Veith vom Bundesverband für Intersexuelle Menschen mit Sitz in Schortens bei Wilhelmshaven dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie bezieht sich auf die Anerkennung eines "dritten Geschlechts" durch das Bundesverfassungsgericht. Die zahlreichen positiven Reaktionen, die sie seit dem Urteil am 8. November auch von vielen nicht intersexuellen Menschen erhalten habe, zeigten, dass es eine breite gesellschaftliche Akzeptanz gebe.

Ein neues Identitätsgesetz, dass in den Ministerien bereits in der Schublade liege, könne als Mantelgesetz alle betroffenen Rechtsbereiche an das neue Urteil anpassen. Sie hoffe, dass das Gesetz möglichst bald auf den Weg gebracht werde, sagte Veith am Rande einer Tagung zur Intersexualität in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg. "Ich glaube, dass es eine Mehrheit dafür im Bundestag geben wird."

Protest gegen Druck auf Eltern

Die 61-jährige Veith ist selbst als Mädchen aufgewachsen und heiratete einen Mann, bevor sie mit 23 Jahren erfuhr, dass sie intersexuell ist. Veith ist heute damit einverstanden, mit "sie" bezeichnet zu werden. Intersexuelle Menschen haben sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale. Nach Schätzungen trifft dies auf 80.000 bis 120.000 Menschen in Deutschland zu. Bis heute sei es medizinische Praxis, intersexuelle Kinder zu operieren, um sie eindeutig zu Jungen oder Mädchen zu machen, sagte Veith.

Eltern würden zur Zustimmung gedrängt mit dem Argument, ihre Kinder hätten später unter Diskriminierungen zu leiden, wenn sie nicht eindeutig als Mann oder Frau gälten, sagte Veith. Schwere körperliche und psychische Beeinträchtigungen auch aufgrund der anschließenden dauerhaften Hormonbehandlung seien häufig die Folge. "Diese schwere Menschenrechtsverletzung muss ein Ende haben", forderte Veith.

Operation nur mit Einwilligung

Ein Verbot von kosmetischen Operationen an Genitalien ohne Einwilligung der betreffenden Person sei jetzt zwingend, sagte Veith. Ein solcher Eingriff sei nichts anderes als vorsätzliche schwere Körperverletzung. Wichtig seien grundlegende Änderungen in der Medizin und der Rechtsprechung. Kaum bekannt sei etwa, dass viele intersexuelle Menschen sexualisierter Gewalt ausgesetzt seien.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 8. November entschieden, dass es im Geburtenregister künftig neben "männlich" und "weiblich" einen alternativen Geschlechtseintrag für intersexuelle Menschen geben muss. Dadurch werde erstmals in Deutschland anerkannt, dass es keine Krankheit sei, mit intersexuellen Geschlechtsmerkmalen geboren zu sein, sagte Veith.

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