Es war ein Ringen um jeden Paragrafen. Die Kritiker des kolumbianischen Friedensprozesses sehen in der Sonderjustiz ein Instrument der Straflosigkeit für Guerilleros. Die Regierung will damit das Land versöhnen.
01.12.2017

Durchbruch in letzter Sekunde: Kolumbiens Kongress hat die Richtlinien einer Sonderjustiz für die Verbrechen des Bürgerkriegs verabschiedet. Eine deutliche Mehrheit der Senatoren stimmte am Donnerstag (Ortszeit) für einen Kompromiss, der es dem Übergangsgericht ermöglicht, seine Arbeit aufzunehmen. Da die Sondervollmachten des Kongresses für die Umsetzung des Friedensvertrages zwischen Regierung und der Farc-Guerilla am Donnerstag endeten, musste die Entscheidung davor fallen. Sonst wäre das umstrittene Regelwerk mit wesentlicher Verzögerung behandelt worden.

"Die Durchsetzung der Sonderjustiz ist ein Sieg für die Opfer des Krieges", erklärte Innenminister Guillermo Rivera. Damit sei garantiert, dass die Rechte der Kriegsopfer in Rahmen des Friedensprozesses anerkannt würden, ergänzte Rivera. Der UN-Sicherheitsrat beglückwünschte Kolumbien für die Fortschritte, mahnte jedoch zugleich eine schnellere Umsetzung des Friedensprozesses an. Farc und Regierung hatten sich vor einem Jahr auf ein Abkommen geeinigt, das über 50 Jahre bewaffneten Konflikt beendete.

Würde der Opfer

Die Übergangsjustiz JEP (Spezialjustiz für den Frieden) ist neben der Entwaffnung der Farc-Kämpfer das entscheidende Element des Friedensvertrags. Die nun verabschiedeten Richtlinien sehen unter anderem vor, dass sich Ex-Guerilleros, Soldaten und Polizisten vor dem Sondergericht verantworten müssen. Geständigen Tätern drohen höchstens acht Jahre Haft. Bei Falschaussagen können Tatverdächtige an die reguläre Justiz verwiesen werden. Ziel der Sondergerichtbarkeit ist die Versöhnung, im Mittelpunkt soll die Würde der Opfer stehen.

Die Richtlinien müssen noch vom Verfassungsgericht gebilligt und von Präsident Juan Manuel Santos in Kraft gesetzt werden. Einzelne Passagen können von den Obersten Richtern verändert werden. Konservative Senatoren haben beispielsweise eine Klausel durchgesetzt, die Juristen, die in den vergangenen Jahren in Menschenrechtsbewegungen aktiv waren, vom neuen Tribunal ausschließen. Unterstützer des Friedensprozesses kritisieren diese Klausel als verfassungswidrig.

Soziale Ungerechtigkeit

Für die Regierung fällt die Bilanz seit dem Friedensschluss gemischt aus. In den zwölf Monaten mit Sondervollmachten gelang es ihr nicht, alle Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen. Das politische Tauziehen im Kongress führte unter anderem dazu, dass eine von Santos vorgeschlagene politische Reform zur Demokratisierung des Wahlsystems auf der Strecke blieb. Auch Schritte hin zu der im Friedensvertrag vereinbarten Agrarreform scheiterten am Widerstand konservativer Parteien. Neben der Übergangsjustiz konnte die Regierung Santos das Amnestiegesetz und die politische Beteiligung der ehemaligen Farc-Guerilleros durchsetzen.

Der Konflikt zwischen der Regierung, mehreren Rebellengruppen und paramilitärischen Todesschwadronen entzündete sich in den 60er Jahren an Landkonflikten und sozialer Ungerechtigkeit. Seither wurden etwa 300.000 Menschen getötet, mindestens sieben Millionen Kolumbianer wurden vertrieben. Seit Februar verhandelt die Regierung auch mit der kleineren ELN-Guerilla über ein Friedensabkommen.

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