Über fünf Jahre dauerte die juristische Aufarbeitung unvorstellbarer Gräuel. Nun verurteilten die Richter in Argentinien Dutzende Ex-Militärs zu langen Haftstrafen, darunter den berüchtigten "Todesengel" Alfredo Astiz. Reue zeigte der jedoch nicht.
30.11.2017

Im bislang größten Prozess wegen Menschenrechtsverbrechen in Argentinien sind 48 Ex-Militärs verurteilt worden. 29 von ihnen müssen wegen Verbrechen während der Militärdiktatur (1976-1983) lebenslang in Haft, wie die Tageszeitung "La Nación" am Mittwoch (Ortszeit) berichtete. Gegen 19 weitere verhängte das Gericht Haftstrafen zwischen acht und 25 Jahren. Sechs Angeklagte wurden freigesprochen. Mit den Urteilssprüchen endete nicht nur der umfangreichste, sondern auch der bislang längste Prozess über Diktaturverbrechen. Die Verhandlungen dauerten über fünf Jahre.

In dem Prozess ging es um die Verschleppung und Ermordung von insgesamt 789 Menschen während der Militärdiktatur. Zu lebenslanger Haft wurden unter anderen der als "blonder Todesengel" bekannte Alfredo Astiz sowie Ex-Marineoffizier Jorge Acosta verurteilt. Beide hatten bereits in früheren Prozessen lebenslange Haftstrafen erhalten. Während der argentinischen Militärdiktatur wurden nach offiziellen Zahlen mehr als 10.000 Menschen entführt und ermordet, viele sind bis heute spurlos verschwunden. Menschenrechtler sprechen von 30.000 Opfern.

Astiz lehnte Entschuldigung ab

Die ehemaligen Militärs wurden unter anderem wegen der sogenannten Todesflüge schuldig gesprochen, bei denen Gefangene der Marineschule Esma lebendig aus Flugzeugen in den Rio de la Plata und den Atlantik geworfen wurden. Acosta war Chef des Geheimdienstes in der Esma. Ihm wurden in 125 Fällen Mord und Folter nachgewiesen. Die Esma war das größte Folterlager während der Militärdiktatur und ist heute eine Gedenkstätte. Etwa 5.000 Regimekritiker wurden dort festgehalten, nur wenige überlebten.

Der frühere Kapitänleutnant Astiz lehnte im Prozess eine Entschuldigung ab. "Die Menschenrechtsorganisationen sind Gruppen, die Verfolgung und Rache wollen", sagte er. "Ich werde niemals um Vergebung bitten."

Zu den Opfern der Todesflüge gehörten auch die französischen Ordensschwestern Alice Domon und Leonie Duquet sowie die Mitbegründerinnen der Menschenrechtsorganisationen "Mütter der Plaza de Mayo", die sich für die Suche nach Vermissten während der Diktatur einsetzten. Die Leichen von Duquet und drei Aktivisten der "Mütter" wurden 1997 am Strand gefunden und zunächst anonym bestattet. Erst 2005 wurden sie exhumiert und identifiziert.

Bei der mehr als fünf Stunden dauernden Urteilsverkündung waren auch Menschenrechtsgruppen und Angehörige der Opfer anwesend. Angehörige waren zwar mit dem Prozess zufrieden, zeigten sich aber über die sechs Freisprüche enttäuscht und kritisierten einen Teil der Haftstrafen als zu milde. "Die Strafen sind nicht angemessen", erklärte die Aktivistin und Anwältin Myriam Bregman via Kurznachrichtendienst Twitter. "Die Straflosigkeit lebt weiter, der Kampf dagegen auch."

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