Traktor mit Sprühanlage auf einem Maisfeld in Sachsen-Anhalt
epd-bild/Steffen Schellhorn
Eine Schlacht hat Umweltministerin Hendricks verloren, sie gibt aber nicht auf: Die EU lässt Glyphosat gegen ihren Willen europaweit neu zu. Doch die Ministerin sucht nach Wegen, um hierzulande Beschränkungen einzuführen.
28.11.2017

Nach der umstrittenen Entscheidung für die weitere Erlaubnis von Glyphosat auf europäischen Äckern erwägt das Bundesumweltministerium strenge Regeln für den Einsatz in Deutschland. Das Ministerium werde prüfen, inwieweit der Einsatz "weitgehend eingeschränkt und untersagt werden kann", sagte ein Sprecher am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

Merkel: Deutsches Votum entsprach nicht "Weisungslage"

Die Entscheidung vom Montag lässt sich den Angaben zufolge nicht anfechten. "Das Kind ist vom Bundeslandwirtschaftsminister in den Brunnen geworfen worden", erklärte das Umweltministerium. Der Vertreter Deutschlands bei der Abstimmung in Brüssel war aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium unter Christian Schmidt (CSU) entsandt worden. Er hatte in Brüssel für die fünf Jahre gültige Neuzulassung des Pflanzenschutzmittels gestimmt, obwohl Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dagegen war.

Üblicherweise hätte sich Deutschland wegen der Meinungsverschiedenheit innerhalb der Bundesregierung enthalten. So war es auch bei den früheren Abstimmungen über Glyphosat gewesen. Das Votum stößt vor den erwarteten Gesprächen zwischen Union und SPD über eine weitere Zusammenarbeit in der künftigen Bundesregierung daher auf heftige Kritik bei den Sozialdemokraten. Landwirtschaftsminister Schmidt handelte offensichtlich im Alleingang. Das Votum in Brüssel habe nicht der "Weisungslage" der Bundesregierung entsprochen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin.

Deutschlands Stimme könnte entscheidend gewesen sein

Insgesamt hatten am Montag in Brüssel 18 Länder für und neun gegen die Neuzulassung gestimmt, ein Land enthielt sich. Deutschlands Stimme könnte entscheidend gewesen sein. Denn für die erforderliche sogenannte qualifizierte Mehrheit war nicht nur eine Mehrheit von 55 Prozent der 28 Länder, also von 16 Ja-Stimmen, nötig. Vielmehr mussten die zustimmenden Länder auch einen bestimmten Anteil der EU-Bevölkerung repräsentieren, nämlich 65 Prozent der Bürger. Die aktuelle Glyphosat-Zulassung läuft am 15. Dezember aus. Bis dahin will die EU-Kommission sie auf Basis des Votums vom Montag formell neu erteilen. Die Kommission hatte die Neuzulassung vorgeschlagen.

Unterdessen ging die Diskussion um das Mittel am Dienstag weiter. Der umweltpolitische Sprecher der Konservativen im Europaparlament, Peter Liese (CDU), begrüßte die Neuzulassung, mahnte aber mittelfristig Veränderungen an: "Glyphosat muss unter strengen Auflagen benutzt werden, und ich hoffe, dass wir in einigen Jahren eine Alternative haben, aber bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ist der Einsatz vertretbar." Der Deutsche Raiffeisenverband, der die Interessen genossenschaftlich orientierter Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft vertritt, zeigte sich "erleichtert" über die Abstimmung.

Risikoforschung

Der Agrarbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Clemens Dirscherl, äußerte Verständnis für die Entscheidung von Landwirtschaftsminister Schmidt für das deutsche Ja. Schmidt habe "nach der ethischen Abwägung der Verhältnismäßigkeit" zugunsten der Agraranwendung entschieden. Denn nach derzeitigem Wissensstand seien "die gesundheitlichen Risiken minimal, die ökologischen bei sachgemäßer Anwendung vertretbar", sagte Dirscherl dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Verlängerungszeit muss jetzt genutzt werden, Risikoforschung vorzunehmen", verlangte er.

Zugleich brauche es "die Abwägung im Einzelfall", sagte Dirscherl weiter: "Wann ist das Mittel fast unverzichtbar, beispielsweise in Steillagen, weil andere Methoden die Bodenerosion dort verschärfen würden, und, wann ist es ohne Not verzichtbar?"

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.