Johannes-Wilhelm Rörig
epd-bild / Andreas Schoelzel
Der Missbrauchsbeauftragte ruft die künftige Koalition in Berlin auf, ein neues Kapitel zum Schutz von Kindern aufzuschlagen. Vorbeugung, Aufklärung und die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale müssten endlich auf sichere Füße gestellt werden.
05.10.2017

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, fordert von der künftigen Koalition in Berlin mehr Konsequenz und mehr Geld im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern. Dazu zähle eine eigene gesetzliche Grundlage zur Stärkung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt, sagte Rörig am Donnerstag in Berlin.

Er stellte ein Programm vor, das die Präventions- und Aufklärungsarbeit auf sichere Füße stellen soll. Die Zeit befristeter Minimallösungen gegen sexuelle Gewalt an Minderjährigen müsse vorbei sein, sagte Rörig mit Blick auf die anstehende Regierungsbildung: "Jetzt kann, jetzt muss gehandelt werden." Der neue Bundestag müsse bereits im kommenden Jahr ein "Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz" verabschieden.

Schutz in Kitas

Rörig forderte ein Modellprogramm zur Prävention, an dem sich flächendeckend und bundesweit zehn Prozent der Schulen sowie Kitas, Heime, Kliniken und Arztpraxen beteiligen sollten. Aus dem vom Bildungsministerium angekündigten Digitalpakt für die Schulen müssten 0,5 Prozent des Budgets für den Kinder- und Jugendschutz im Internet zur Verfügung gestellt werden.

Spätestens 2019 müsse außerdem eine bundesweite, auf mehrere Jahre angelegte Aufklärungskampagne gegen Kindesmissbrauch nach dem Vorbild der Anti-Aids-Kampagnen gestartet werden, verlangte Rörig. Alle Bürger müssten wissen, was sie im Verdachtsfall tun und wie sie helfen könnten.

Im vorigen Jahr gab es laut Kriminalstatistik der Polizei mehr als 12.000 Straf- und Ermittlungsverfahren allein wegen sexuellen Kindesmissbrauchs. Hinzu kommen Fälle von sexueller Gewalt gegen Schutzbefohlene sowie 7.000 Verfahren wegen sogenannter Kinderpornografie. Das Dunkelfeld ist jedoch weitaus größer. Die Forschung geht davon aus, dass statistisch gesehen in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder von sexueller Gewalt betroffen sind.

Missbrauchs-Prävention in Schulen

Zur Umsetzung des Präventions- und Aufklärungsprogramms wären nach Rörigs Angaben etwa 15 Millionen Euro zusätzlich erforderlich. Gegenwärtig werden für die Kampagne "Kein Raum für Missbrauch" und das Programm "Schulen gegen sexuelle Gewalt" rund 400.000 Euro ausgegeben. Der Etat des Missbrauchsbeauftragten liegt bei 4,5 Millionen Euro.

Rörig verlangte für sein eigenes Amt, die aus Wissenschaftlern zusammengesetzte Aufarbeitungskommission und den 2015 berufenen Betroffenenrat eine gesetzliche Absicherung. Rörigs Amtszeit endet am 31. März 2018, ebenso wie die Laufzeit des ehrenamtlich arbeitenden Betroffenenrats und der Kommission. Deren Arbeit müsse um mindestens fünf Jahre verlängert werden, sagte Rörig. Das Amt des Missbrauchsbeauftragten müsse bestehen bleiben. Erst in zehn Jahren solle entschieden werden, ob eine Weiterführung notwendig sei.

Die scheidende Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) unterstützte Rörigs Forderung, das Amt auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Der Beauftragte leiste eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft. Es müsse noch mehr für den Schutz vor sexualisierter Gewalt getan werden, sagte die SPD-Politikerin.

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