Contergan-Tabletten.
epd-bild / Joker / Jörg Loeffke
Vor 60 Jahren brachte die Firma Grünenthal das von ihr als völlig unbedenklich beworbene Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan in Deutschland auf den Markt. Weltweit mindestens 10.000 Frauen bekamen danach Kinder mit verkümmerten Armen oder Beinen und anderen Missbildungen.
27.09.2017

Zum 60. Jahrestag der Markteinführung von Contergan in Deutschland haben Interessenvertreter der Opfer weitere Reformen beim Contergan-Stiftungsgesetz gefordert. Bei Gründung der Stiftung 1972 habe die Politik den Eltern der schwerstbehinderten Kinder "angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten versprochen, woran man sich aber nicht hält", kritisierte der Bundesvorsitzende des Contergannetzwerks Deutschland, Christian Stürmer, am Mittwoch in Ostfildern. "Die Situation um die Contergan-Opfer ist immer noch nicht vollständig befriedet", sagte der Betroffenenvertreter im Rat der Conterganstiftung für behinderte Menschen.

Noch rund 2.650 Geschädigte in Deutschland

Am 1. Oktober 1957 hatte die Firma Grünenthal das von ihr als völlig unbedenklich beworbene Schlaf- und Beruhigungsmittel in Deutschland auf den Markt gebracht. Weltweit mindestens 10.000 Frauen bekamen danach Kinder mit verkümmerten Armen oder Beinen und anderen Missbildungen. Heute leben laut Contergannetzwerk bundesweit noch rund 2.650 Geschädigte. Dem Staat wirft Stürmer vor, "dass er im Conterganskandal erhebliche Mitschuld trägt und sich schützend vor die Pharmaindustrie gestellt hat".

Zwar habe der Bundestag im Jahr 2013 die Renten der Opfer drastisch erhöht, "allerdings gängelt uns das thematisch zuständige Bundesfamilienministerium weiter", monierte der Vorsitzende: "Zwei Betroffenenvertretern sitzen im Stiftungsrat der Conterganstiftung drei Ministerialvertreter gegenüber. Wir haben mit unseren Anliegen kaum keine Chance und seien sie noch so berechtigt." Er verlangte, dass der vom Bundestag eingeschlagene Paradigmenwechsel auch vom Bundesfamilienministerium nachvollzogen wird: "Das steht uns nach alldem zu."

Über die Stiftung laufen heute sämtliche Versorgungsleistungen der Geschädigten. In einem umstrittenen Vergleich mit den Eltern wurden im Jahr 1970 alle Ansprüche der Geschädigten gegen die Firma Grünenthal zum Erlöschen gebracht. Die Haftung Grünenthals ging damit auf den Staat über. Kritik an diesem Verfahren gibt es seit Jahrzehnten. Viele Interessenvertreter sehen in dem unter hohem Druck geschlossenen Vergleich eine Enteignung der Opfer, denn die anfangs gewährten Hilfen und Renten waren völlig unzureichend.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.