Streik an der Charite in Berlin
epd-bild/Christian Ditsch
Ausstände an Krankenhäusern rücken wenige Tage vor der Bundestagswahl die Personalnot in der Pflege in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
19.09.2017

Die Streiks an Kliniken weiten sich aus. Wie die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mitteilte, haben am Dienstag Beschäftigte in Krankenhäusern in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Berlin zeitweise die Arbeit niedergelegt. Hintergrund ist die schlechte Personalausstattung. Die Gewerkschaft meldete allein 500 Streikende am Klinikum Region Hannover. "Das ist deutlich mehr als wir erwartet haben", sagte Joachim Lüddecke, Fachbereichsleiter Gesundheit bei ver.di.

Wahlkampfthema Pflegenotstand

Derweil führt die Personalnot in der Pflege wenige Tage vor der Bundestagswahl am Sonntag zu mitunter heftigen Vorwürfen politischer Kontrahenten. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach äußerte Verständnis für den Ausstand. Es gebe zu wenig Personal, und die Arbeitsbelastung in der Pflege sei viel zu hoch. Die SPD fordere schon länger mehr Pflegepersonal: "Leider hat die Union vier Jahre lang passiven Widerstand geleistet. Kanzlerin Angela Merkel hat das Thema Pflege erst im Wahlkampf entdeckt."

Ähnlich äußerte sich die Linken-Spitzenkandidatin Sara Wagenknecht. Für den sich verschärfen Pflegenotstand trage die große Koalition die Verantwortung. "In keinem Land Europas ist die Relation zwischen Pflegekräften und Patienten schlechter als bei uns. Das ist eine Schande, und die unverbindlichen Wahlkampfversprechen von Angela Merkel und Martin Schulz werden daran nichts ändern." Gebraucht werde ein Gesetz, "dass verbindlich vorschreibt, wie viele Patienten oder Pflegedürftige von einer ausgebildeten Pflegekraft maximal versorgt werden dürfen".

Der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, forderte, die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich zu verbessern. Pflegeberufe seien für viele junge Leute schlicht unattraktiv. "Der Pflegemindestlohn muss sofort auf 14,50 Euro erhöht und auf weitere Tätigkeitsbereiche in der Pflege ausgedehnt werden", sagte Riexinger.

Ständige Zeitnot

"Zu wenig Personal heißt zu wenig Zeit", sagte ver.di-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Die ständige Zeitnot mache die Beschäftigten krank und auch eine gute Versorgung der Patienten sei unter diesen Umständen oft nicht möglich. "Das betrifft alle Krankenhäuser, egal ob öffentlich oder privat." Deshalb führe man die Auseinandersetzung bundesweit, hieß es.

Die Gewerkschaft fordert unter anderem eine im Tarifvertrag festgelegte Mindestpersonalausstattung. Zudem soll sich die Ausbildungsqualität verbessern. So müsse ausgeschlossen werden, dass Auszubildende Lücken in der Belegschaft füllen. Den Angaben zufolge fehlen bundesweit rund 162.000 Stellen in Krankenhäusern, davon 70.000 für Pflegefachkräfte.

Bereits seit Montag streiken die Beschäftigen der Berliner Charité. 2016 wurde dort der bundesweit erste Tarifvertrag abgeschlossen, der die Personalausstattung regelt. Laut ver.di macht die mangelnde Bereitschaft des Arbeitgebers zur Umsetzung dieses Tarifvertrags nun die erneuten Verhandlungen nötig.

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