Dogan Akhanli
epd-bild/Joern Neumann
Berlin und Brüssel auf der einen und Ankara auf der anderen Seite: Der Konflikt erreicht mit dem Gezerre um Autor Akhanli die nächste Steigerung. Außer um Akhanlis Schicksal geht es auch um die großen Linien der problematischen Beziehung.
22.08.2017

Nachdem die Türkei gegen den deutschen Autor Dogan Akhanli ein Ausreiseverbot aus Spanien erwirkt hat, werden Forderungen nach einem Kurswechsel der EU gegenüber Ankara lauter. "Achselzucken alleine ist auf Dauer keine politische Strategie", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). Die EU-Mitgliedstaaten sollten "diskutieren, welche strategischen Konsequenzen aus diesem Verhalten zu ziehen sind".

"Die Einmischung von Präsident Recep Tayyip Erdogan in einen nationalen Wahlkampf sowie Auslieferungsansuchen hinsichtlich vermeintlicher politischer Gegner sind inakzeptabel", kritisierte der österreichische EU-Kommissar. Die anhaltenden Entlassungen und Verhaftungen ohne Rechtsgrundlage zeigten, dass die Führung in Ankara "offenbar nicht gewillt ist, ihren Kurs, der sie immer weiter weg von Europa bringt, zu revidieren".

Spendenaufruf für Akhanli

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte, auf europäischer Ebene die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Türkei zu überprüfen. "Wir sollten zumindest innerhalb der EU dringend in einen intensiveren Dialog darüber einsteigen, wie wir mit Fahndungsersuchen aus der Türkei umgehen", sagte Maas den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch).

Unterdessen startete das PEN-Zentrum Deutschland einen Spendenaufruf für Dogan Akhanli. Ihm entstünden Kosten, welche "die finanziellen Möglichkeiten der Familie übersteigen", erklärte die Schriftstellervereinigung am Dienstag in Darmstadt.

Aus dem Europaparlament wurde erneut die Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen erhoben. Die Verhaftung Akhanlis sei ein weiterer aggressiver Akt der türkischen Regierung gegenüber Deutschland, sagte Vizeparlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag). "Die Unionsparteien und die SPD sollten die Konsequenzen daraus ziehen und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endlich beenden."

Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Parlaments, David McAllister, sagte: "Ich sehe angesichts der negativen Entwicklungen in der Türkei keinen Sinn darin, die Beitrittsverhandlungen gegenwärtig fortzuführen."

Im Gespräch bleiben

Ob die EU den Fall Akhanli zum Anlass nimmt, ihre Beziehungen zur Türkei völlig umzukrempeln, ist aber offen. Der Auswärtige Dienst in Brüssel wollte am Dienstag keine Stellung beziehen. Am Montag hatte ein Sprecher der EU-Kommission zwar gerügt, internationale Organisationen wie Interpol sollten "nicht dafür missbraucht werden, um zu versuchen, regierungskritische Schriftsteller festzunehmen". Und generell sehe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Entwicklungen in der Türkei "mit großer Sorge". "Zugleich meint der Präsident, dass es immer besser ist, im Gespräch zu bleiben", erklärte Junckers Sprecher.

Ein Sprecher der estnischen EU-Ratspräsidentschaft konnte am Dienstag zunächst nicht sagen, ob Estland einen Strategiewechsel gegenüber Ankara anstrebt. Der baltische Staat hat bis Jahresende den Vorsitz im Kreis der EU-Mitgliedstaaten inne und bestimmt damit maßgeblich die Tagesordnungen bei den Treffen der europäischen Minister und Staats- und Regierungschefs.

Am Wochenende war der in Köln lebende Schriftsteller Akhanli während seines Urlaubs in Granada festgenommen worden. Grundlage war ein Interpol-Gesuch der Türkei. Inzwischen ist der türkischstämmige Autor mit deutscher Staatsbürgerschaft wieder auf freiem Fuß, darf aber Spanien zunächst nicht verlassen und muss sich einmal pro Woche bei einem Gericht in Madrid melden.

Vertrauen in deutsche Justiz

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Montag, die Vorwürfe deuteten auf eine politische Verfolgung hin. Man könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Akhanli unter den obwaltenden Umständen in die Türkei ausgeliefert werden könne.

Ähnlich äußerte sich die Europaabgeordnete Rebecca Harms. "Niemand, der heute in die Türkei ausgeliefert wird, kann mit einem fairen Verfahren rechnen", warnte die Chefin der Grünen-Fraktion. Über die Auslieferung Akhanlis hätten dabei nicht Politiker, sondern wie in Rechtsstaaten üblich die unabhängige Justiz zu entscheiden, sagte Harms dem Evangelischen Pressedienst. "In die deutsche Justiz hätte ich Vertrauen in dieser Frage - ich hoffe, dass das auch in Spanien so ist."

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