Liu Xiaobo mit seiner Frau Liu Xia (Archivbild)
epd-bild/Amnesty International/Privat
Weltweit hatten Menschen sein Schicksal mit Sympathie und Mitgefühl verfolgt. Todkrank wünschte sich der bekannteste Dissident Chinas, in einem freien Land zu sterben. Doch selbst sein letzter Wunsch blieb unerfüllt.
13.07.2017

Der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist tot. Der 61-jährige Dissident starb am Donnerstag an multiplem Organversagen, wie die Zeitung "China Daily" und andere staatliche chinesische Medien berichteten. Sie beriefen sich auf die Justizbehörde der Stadt Shenyang, wo Liu in einer Klinik behandelt wurde. Er litt an Leberkrebs im Endstadium und war nach acht Jahren Haft nur "auf Bewährung" aus dem Gefängnis entlassen worden. Der Tod des bekanntesten chinesischen Dissidenten löste international Trauer und Bestürzung aus, aber auch Kritik an Peking.

Bestürzte Reaktionen auf Lius Tod

"In tiefer Trauer habe ich vom Tod des mutigen chinesischen Bürgerrechtlers und Nobelpreisträgers Liu Xiaobo erfahren", erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Liu habe nur das Beste für sein Land gewollt und werde unvergessen bleiben. Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundeten der Familie ihr tiefes Mitleid. Die Kanzlerin nannte den Friedensnobelpreisträger einen "mutigen Kämpfer für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit." Die Bundesregierung hatte sich für eine Ausreise Lius eingesetzt, aber Peking war hart geblieben.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz twitterte: "Mit Liu Xiaobo verlieren wir eine starke Stimme für Freiheit und Demokratie." Er habe allen Repressalien widerstanden. "Ein großes Vorbild!", fügte der ehemalige Präsident des EU-Parlament hinzu.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, würdigte Liu als charakterfesten Vorkämpfer für Menschenrechte in China. Liu sei sein Leben lang friedlich und beständig für Menschenrechte eingetreten und für seine Überzeugungen eingekerkert worden, sagte Seid in Genf. Er rief die chinesische Regierung auf, seiner Witwe Liu Xia Reisefreiheit zu gewähren, auf ihren Wunsch auch ins Ausland. Familie und Freunde sollten Liu nach ihren Wünschen betrauern und ehren dürfen.

Amnesty International würdigte Liu als einen "Giganten der Menschenrechte". Sein Mut und seine Würde hätten Millionen Menschen in China und weltweit inspiriert. Peking hatte Liu trotz weltweiter Appelle in seinen letzten Tagen die Ausreise verweigert. Er hatte sich gewünscht, in einem freien Land zu sterben.

Letzter Wunsch blieb unerfüllt

Liu war 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt worden, weil er maßgeblich an der "Charta 08" für demokratische Reformen mitgewirkt hatte. Nach seiner Krebsdiagnose war Liu Ende Juni dieses Jahres "auf Bewährung" aus dem Gefängnis entlassen und in eine Klinik gebracht worden.

Menschenrechtler und mehrere westliche Länder hatten China aufgefordert, Liu und seiner Frau Liu Xia die Ausreise zu ermöglichen. Sein Fall war auch Thema beim G20-Gipfel in Hamburg. Doch die Führung in Peking ließ lediglich einen deutschen und einen US-amerikanischen Krebsspezialisten zu Liu einreisen.

In Hongkong demonstrierten am Donnerstag laut Medienberichten Aktivisten für die Freilassung von Lius Ehefrau, die unter Hausarrest steht. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" erklärte, Lius Tod offenbare erneut Chinas Unbarmherzigkeit gegenüber friedlichen Menschenrechtlern. Der letzte Fall, dass ein Friedensnobelpreisträger in staatlichem Gewahrsam gestorben sei, sei 1938 der Pazifist Carl von Ossietzky in Nazi-Deutschland gewesen. Er erlag seiner Tuberkulose.

In Oslo blieb sein Stuhl leer

Liu hatte 2010 den Friedensnobelpreis erhalten, den er jedoch nicht entgegennehmen durfte. Bei der Preisverleihung in Oslo war sein Stuhl auf der Bühne leer geblieben. Das norwegische Nobelkomitee reagierte mit Bestürzung und großer Trauer auf Lius Tod. "Wir müssen uns nun mit der Tatsache abfinden, dass sein Stuhl für immer leer bleibt", erklärte das Gremium. Liu Xiaobo sei aber ein starkes Symbol für alle, die für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und eine bessere Welt kämpfen. "Die chinesische Regierung trägt eine schwere Verantwortung für seinen vorzeitigen Tod", kritisierte das Nobelkomitee Pekings Weigerung, ihn ausreisen zu lassen.

Am Mittwoch hatte das behandelnde Krankenhaus in Shenyang in der Nordost-Provinz Liaoning erklärt, Liu sei dem Tod sehr nah. Die Atmung habe ausgesetzt, aber die Familie habe eine Intubation der Luftröhre abgelehnt.

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