Mit der Festnahme der deutschen Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu sorgt die Türkei erneut für Verstimmungen. Das Auswärtige Amt kritisiert das Vorgehen als "bedauerlich".
12.05.2017

Die Bundesregierung fordert von der Türkei Zugang zu der inhaftierten deutschen Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu. Das Auswärtige Amt gehe davon aus, dass die 33-Jährige nur die deutsche und nicht auch die türkische Staatsbürgerschaft besitze, sagte Sprecher Martin Schäfer am Freitag in Berlin. Damit steht Tolu die Betreuung durch das deutsche Konsulat zu. Die Journalistin sitzt nach Angaben des Auswärtigen Amtes in der Nähe von Istanbul in Untersuchungshaft. Bisher habe es noch keinen persönlichen Kontakt gegeben.

Für linken Sender gearbeitet

Die Türkei habe die Bundesregierung nicht über die Verhaftung Tolus informiert. Man habe davon aus anderen Quellen erfahren. Seit wann das Auswärtige Amt von der Verhaftung Tolus weiß, sagte Schäfer nicht. Es sei "bedauerlich", dass die Türkei ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die deutsche Seite unverzüglich über Tolus Verhaftung zu informieren und eine konsularische Betreuung zu ermöglichen.

Schäfer bestätigte, dass Tolu am 30. April von türkischen Sicherheitskräften in Polizeigewahrsam gebracht wurde und seit dem 6. Mai in Untersuchungshaft sitzt. Ihr zweijähriges Kind befinde sich bei Familienmitgliedern in der Türkei.

Der Fall sei zusammen mit ähnlichen Fällen Gegenstand von Gesprächen mit dem türkischen Botschafter sowie zwischen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim am Rande der Somalia-Konferenz in London gewesen, sagte Schäfer weiter.

Einem "Tagesschau"-Bericht zufolge wurde Tolu in Ulm geboren und hatte in der Türkei für eine sozialistisch orientierte Nachrichtenagentur und einen linken Radiosender gearbeitet. Der Sender sei vor Kurzem von den Behörden geschlossen worden.

Die Etkin News Agency (ETHA) in Istanbul bestätigte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage, dass Tolu für das Unternehmen als Übersetzerin tätig war. Tolus Anwälte seien nicht darüber informiert, was der Journalistin genau vorgeworfen wird. Bei der Anordnung der Untersuchungshaft habe sich das Gericht auf Tolus Teilnahme an einer Beerdigung zweier Kommunistinnen berufen.

Vorübergehend im Hungerstreik

Laut ETHA befindet sich Tolu derzeit in einem Frauengefängnis in einer Zelle gemeinsam mit zwei weiteren Inhaftierten. Vorübergehend sei sie aus Protest gegen ihre Verhaftung in Hungerstreik getreten. Derzeit stünden nur ihre Anwälte in Kontakt zu Tolu.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Gewerkschaft ver.di forderten die Freilassung Tolus. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall sprach von einem neuen, besonders dreisten "Willkürakt der türkischen Autokratie gegen die freie Presse". Aktuell sitzen rund 150 Journalisten in der Türkei in Haft, unter ihnen auch der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.

Der Auswärtige Dienst der EU wollte sich nicht direkt zu Tolus Fall äußern. Sprecherin Maja Kocijancic erklärte jedoch in Brüssel, die EU beobachte die Entwicklungen in der Türkei sehr genau. "Im zurückliegenden Jahr haben wir einen schwerwiegenden Rückschritt beobachtet, was Grundwerte wie die Meinungsfreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz und die Versammlungsfreiheit angeht." Die Delegation der EU in Ankara beobachte mehrere Verfahren gegen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten. Jedes mutmaßliche Vergehen oder Verbrechen müsse dabei stets einem fairen Verfahren unterworfen sein, verlangte die EU-Sprecherin.