In der Bernhard-Mosberg-Werkstatt der Bethel-Stiftung in Bielefeld
epd-bild / Friso Gentsch
Die Grünen werfen den Werkstätten für behinderte Menschen vor, nicht genug für den Wechsel ihrer Mitarbeiter auf den regulären Arbeitsmarkt zu tun. Die Verantwortlichen sollten den Übergang in reguläre Jobs voranbringen und nicht das geplante Budget für Arbeit "schlechtreden".
29.03.2017

Das sagte die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Corinna Rüffer, am Mittwoch in Berlin. Sie reagierte auf ein Interview des Werkstätten-Verbandschefs Martin Berg mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Darin hatte er vor überzogenen Erwartungen an das künftige Budget für Arbeit gewarnt, das den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt fördern soll.

"Ich glaube nicht, dass es dazu führt, dass Werkstattbeschäftigte im großen Stile auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln", erklärte Berg. Es sei jedoch ein guter Ansatz, "um eine zusätzliche Brücke zwischen Werkstatt und Arbeitsmarkt zu schlagen". Er betonte, dass der Erfolg der Arbeit in den Werkstätten nicht allein an der Übergangsquote auf den freien Jobmarkt zu messen sei.

Unterschätzte Fähigkeiten

Das Budget für Arbeit wurde mit dem Bundesteilhabegesetz festgeschrieben und soll bundesweit ab 2018 nutzbar sein. In dessen Rahmen erhalten Unternehmen, die Menschen mit Handicap beschäftigen, Lohnkostenzuschüsse bis zu einer Höhe von 75 Prozent. Zudem wird den behinderten Mitarbeitern eine dauerhafte fachliche Unterstützung im neuen Job zu zugesichert.

Rüffer wies Bergs Aussage zurück, die Mitarbeiter der Werkstätten seien für Arbeitgeber "auch mit Budget für Arbeit nicht interessant". Durch das Budget, das ab 2018 bundesweit gilt, seien rechtlich neue Möglichkeiten entstanden, die es zu nutzen gelte. Fähigkeiten und Kompetenzen von Werkstattbeschäftigten "werden regelmäßig unterschätzt". Nun bekenne die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten öffentlich, dass ihr der Übergang ihrer Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wenig am Herzen liegt: "Sie hat die Zeichen der Zeit ganz offensichtlich nicht erkannt."

Berg hält einen Wert von mehr als einem Prozent der Beschäftigten, die die Werkstatt verlassen, für unrealistisch. Im Zeitraum von 2002 bis 2006 kam man im Schnitt auf 0,16 Prozent. Dort, wo Unternehmen bisher zögern, einen Menschen mit Behinderung einzustellen, könne das Budget interessant sein, "allerdings nur, wenn für diese Menschen eine dauerhafte Begleitung organisiert und finanziert wird", betonte Berg.

Ausgeschlossen vom Arbeitsmarkt

In den Werkstätten haben man "einen anderen Fokus: Teilhabe für Menschen zu organisieren, die auf dem Arbeitsmarkt wegen ihrer Behinderung keine Chance haben", betonte Berg. Vielerorts sei in der Politik noch nicht angekommen, dass sich Werkstätten weiterentwickelt hätten. "Wir treiben die Öffnung der Angebote voran und schaffen so Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen."

Katrin Werner, behindertenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, verwies darauf, dass "über 300.000 Menschen in Werkstätten beschäftigt und damit vom allgemeinen Arbeitsmarkt, tariflicher Entlohnung und sogar vom Mindestlohn ausgeschlossen sind". Selbst nach Annahme der Bundesregierung solle lediglich ein Prozent der Werkstattbeschäftigten das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln. "Das ist angesichts der stetig steigenden Zahl von Werkstattbeschäftigten ein Tropfen auf den heißen Stein. Es muss viel mehr darum gehen das gesamte System umzugestalten", sagte Werner.