Wohnlage Meditation grove Almhöjden. The Woodland Cemetery, Stockholm.
Johan Dehlin
Großartige Architektur aus Schweden
Carpe Diem
Der Architekt und Designer Sigurd Lewerentz hatte Weltbedeutung, trotzdem ist er wenig bekannt. Eine Ausstellung im Architekturmuseum in Stockholm zeigte jetzt sein Lebenswerk, dazu ein Buch mit großartigen Bildern.
Tim Wegner
25.08.2022

Bildungslücke – ein schönes deutsches Wort. Letzte Woche konnte ich mal wieder eine schließen, bei einem Besuch in Stockholm. Eine wunderbare Stadt, nicht nur wegen der Lage am Wasser, sondern auch wegen der vielen schönen Museen, darunter das „ArkDes“, das schwedische Architektur- und Designmuseum, idyllisch gelegen im Zentrum der Stadt auf der kleinen Insel Skeppsholmen.

Gerade lief noch die Ausstellung über das Lebenswerk von Sigurd Lewerentz. Sie schließt am 28. August. Auf der Webseite, in Videos und in einem großartig bebilderten Begleitband (s.u.) lassen sich Ausstellung und Werke gut nachschauen und -lesen.

Sigurd Lewerentz zählt zu den wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er war einer der ganz großen schwedischen Künstler und hat die europäische Moderne entscheidend mitgeprägt. Geboren 1885 wurde er 90 Jahre alt und überlebte zwei Weltkriege. Eines seiner wichtigsten Werke ist der Skogskyrkogården (Waldfriedhof) in Stockholm, seit 1994 Unesco-Weltkulturerbe. Lewerentz war Landschaftsgestalter und Kirchenbauer, hat Alltagsgegenstände, Möbel, Bürogebäude und Häuser entworfen. Das schwedische Design, so wie wir es heute aus den blau-gelben Möbelhäusern kennen, wäre ohne seine Kreativität, seine Schaffenslust und Kunst kaum denkbar. Ich war erstaunt darüber, dass mir sein Name nicht schon mal vorher aufgefallen war.

Sigurd Lewerentz

Die Ausstellung im ArkDes ist weltweit die erste, die sich so intensiv mit dem Schaffen dieses bedeutenden Architekten befasste. Selbst viele Schweden wissen nicht, wer er war; sie mögen halt keine „Heldenverehrung“, schrieb dazu treffend der Architekturkritiker der FAZ in seiner Rezension zu der Ausstellung.

„Architekt des Todes und des Lebens“ ist der Titel. Die beiden Friedhöfe, die Lewerentz gestaltete gelten heute als Sehenswürdigkeiten, ein Ausflugsziel für Einheimische wie Touristen, Leben und Tod gehören zusammen. Mir fällt auf Friedhöfen immer der Lieblingsspruch meines Vaters ein: „Carpe diem": Genieße das Leben, es ist endlich.

Entwurf eines Apartments für die Stockholm exhibition 1930

1930 war Schweden Veranstalterin der „Stockholm“-Ausstellung. Vier Millionen Menschen kamen damals nach „Djurgarden“ auf die ehemals königliche Jagdinsel und bestaunten modernes, schlichtes Design auf Ausstellungsstücken und Plakaten, für die Lewerentz maßgeblich mitverantwortlich war.

Ganz wunderbar fand ich den Entwurf eines schwimmenden Tanzbodens, der dort leider nie verwirklicht wurde. Mich erinnerte die wunderbare Zeichung an die im Wasser schwimmenden Wege von Christo und Jean-Claude – leicht, verzaubernd, lebensfroh…

Der Entwurf des schwimmenden Tanzbodens von Lewerentz 1930

Neben den Friedhöfen gehören auch zwei Kirchen zu Lewerentz wichtigstem Lebenswerk. Die Markuskirche liegt im Süden von Stückholm, bei meinem nächsten Besuch in Stockholm werde ich mir sie ansehen.

Sigurd Lewerentz: Architect of Death and Life. Published by Park Books in collaboration with ArkDes. Eds. Kieran Long and Johan Örn. Co-ed. Mikael Andersson
1st edition, 2021. Hardback 720 Seiten. Design: Malmsten Hellberg.New photos of Lewerentz built work: Johan Dehlin. 120 Euro

 

 

 

 


 

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Kolumne

Dorothea Heintze

Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß aus eigener Erfahrung: Das eigene Wohnglück finden ist gar nicht so einfach. Dabei gibt es tolle, neue Modelle. Aber viele kennen die nicht. Und die Politik hinkt der Entwicklung sowieso hinterher. Über all das schreibt sie hier.