Rafatis Verzweifelung und der Spießrutenlauf
Wie viele Argumente braucht es noch für den Videobeweis?
Felix EhringLena Uphoff
01.11.2011

Wie verzweifelt kann ein Mensch sein, ein Mensch mit Familie zumal, dass er sich kurz vor einem Arbeitstermin in einem Hotel umbringen will? Babak Rafati ist an Depressionen erkrankt. Nach seinem Suizidversuch bietet er einen Einblick ins Leben eines Bundesliga-Schiedsrichters, der sich jeden Samstag vor 30.000 bis 60.000 Fans, darunter viele Fußball-Verrückte, für A oder B entscheiden muss. Im Minutentakt.

Rafatis Anwalt schrieb: „Im persönlichen Empfinden von Herrn Rafati wurde vor allem ein wachsender Leistungsdruck für ihn als Schiedsrichter und der damit verbundene mediale Druck in Kombination mit der ständigen Angst, Fehler zu machen, zu einer immer größeren Belastung. Eine Belastung, die irgendwann selbst Alltagsprobleme unlösbar erscheinen ließ und der er sich am Ende nicht mehr gewachsen fühlte.“

Oft sagen Sportreporter nach knappen Entscheidungen scheinbar wohlwollende Sätze wie diesen: „Das war ganz schwer zu sehen, da kann man dem Schiedsrichter kaum einen Vorwurf machen.“ Die Reporter sagen das, nachdem sie sich die Zeitlupe aus fünf Perspektiven mehrmals angeschaut haben. In Zusammenfassungen wird das Bild gar eingefroren, vor- und zurückgespielt. Irgendwann wissen Kommentatoren genau, na zumindest ziemlich genau, dass der Stürmer doch den Ball auch mit dem Unterarm mitgenommen hat, der allerdings am Oberkörper anlag. Aber der Arm war im Spiel, irgendwie.

Wie viele Argumente braucht es noch für den Videobeweis?

Diese Bewertungen sind Blödsinn und zeigen, dass ein Schiedsrichter ohne Videobeweis allein gelassen wird. Also her mit dem Videobeweis und Schluss mit dem Spießrutenlauf. Der Fußball ist so dynamisch geworden, so viel schneller als vor 20 Jahren, dass es immer schwieriger wird, alles zu überblicken. Und wem nützt eigentlich die Unsicherheit der Schiedsrichter und die Sicherheit der Fans, dass der Schiri falsch liegt? Wer hat etwas davon? Nur die Skandalmacher und gelegentlich Trainer, die das als Ausrede für eine Niederlage anbringen.

Man mag sich kaum vorstellen, wie Rafati die Aussicht belastet hat, ins Kölner Stadion einzulaufen. Mehrmals schon war Rafati von Bundesligaspielern in einer Umfrage des „Kicker“ zum schlechtesten Schiri der Liga gewählt worden. Solch eine Wahl ist nicht nur unnötig, sie ist auch sinnlos, weil sie völlig subjektiv ist und mehr an Sympathiewerten orientiert als an Kompetenz. Rafati war FIFA-Schiedsrichter. Den Job kriegt man nur, wenn man über längere Zeit konstant gut pfeift. Der „Kicker“ sollte seine Schiri-Wahl sein lassen.

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