jhc
Macht hoch die Tür – seit 400 Jahren
Man könnte jeden Tag ungezählte Jubiläen feiern. Manchmal aber lohnt es sich wirklich, weil es Freude schenkt und zum Nachdenken anregt. Zum Beispiel über die bedrängende Frage: Welche Lieder sollen wir singen – in Zeiten des Krieges?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
01.12.2023

Vor 400 Jahren – hätten Sie’s gewusst? – erblickte das heutzutage berühmtest-beliebteste Adventslied das Licht der Welt. Genauer gesagt, für den zweiten Adventstag 1623 und zur Einweihung der Altroßgärter Kirche in Königsberg hatte Pfarrer Georg Weissel „Macht hoch die Tür“ gedichtet (die Melodie kam später dazu).

Dieses Datum verweist auf eine Frage, die uns heute besonders umtreibt: Wie geht das zusammen – frohe Lieder singen und die Vorfreude des Advents feiern, während nicht weit von uns entfernt der Krieg tobt? 1623 – fünf Jahre also herrschte schon ein Krieg im Deutschen Reich, der am Ende dreißig Jahre dauern sollte. Die jüngeren Erinnerungen an den Zweiten und auch den Ersten Weltkrieg haben uns vergessen lassen, was für eine Katastrophe dies war. Allerdings weiß ich nicht, wie nah oder fern war das Kriegsgeschehen damals im fernen Ostpreußen war. Was dachte der Dichter über die Gräuel, was wusste er überhaupt davon? Da es damals keine aktuellen Katastrophennachrichten gab, könnte es sein, dass er nur sehr vage informiert war.

Trotzdem, man kann sein Lied als einen Kommentar, eine poetische Gegenrede zum Krieg verstehen. Allein die ersten Worte „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – in einer Zeit, in der alle Städte ihre Türen zumachten und ihre Tore fest verschlossen, in ihrer panischen, berechtigten Angst vor den Herren dieser Welt und deren Truppen.

Der Kriegsangst und der Kriegsgewalt setzt das Lied etwas entgegen. Nämlich die helle Freude darüber, dass ein anderer König kommt, bei dessen Nahen man das Burgtor nicht herunterlässt, sondern jubelnd hochreißt, weil sein Charakter „Gerechtigkeit“ heißt. Weil sein Zepter „Barmherzigkeit“ heißt und sein Transportmittel „Sanftmütigkeit“. Und sein eigentliches Herrschaftsgebiet ist nicht dieses oder jenes Territorium, sondern das Herz des einzelnen Christenmenschen. Deshalb zielt das Lied auf diese Verse am Schluss:

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein.“

Warum sollte man das heute nicht singen? Warum nicht gerade heute?

P.S.: Über eine ganz neue Sicht auf Franz von Assisi spreche in der neuen Folge meines Podcasts „Draußen mit Claussen“ mit dem Autoren Alois Prinz. Übrigens, wusste Sie, dass dieser Heilige von 800 Jahren das Krippenspiel erfunden hat?

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.

Kolumne