Philippinen, Verde Island Passage (VIP), Proteste der Fischer beim Earth Day 2022 gegen weitere Gasförderanlagen
VIP: Verde Island Passage - Proteste der Fischer gegen weitere Gasförderanlagen
urgewald
Was ist „Divestment“? Das Beispiel des Fischers Ka Simo
Paradise lost?
Weil Shell und andere Konzerne Gas an die Philippinen verkaufen möchten, ist das Meer in Gefahr. Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation "urgewald" möchte das verhindern – und hilft den Menschen vor Ort
Tim Wegner
29.04.2024

In einem kargen Hotelzimmer in Zürich sitzt Ka Simo, neben ihm ist ein Doppelstockbett zu sehen, hinten an der Tür hängt ein Fluchtplan. 

Das Zimmer könnte auch eine Kajüte auf einem Schiff sein, wenn man es nicht besser wüsste. Und das würde passen. Ka Simo ist Fischer und auf dem Meer zu Hause, seit er, Jahrgang 1955, ein Kind ist.

Ka Simo ist mir über Zoom zugeschaltet, neben ihm vor dem Monitor sitzen Nicole Rath und Angelica Dacanay. Die beiden Frauen begleiten Ka Simo auf seiner Reise durch Europa. Noch nie war der Fischer so lange und so weit weg von zu Hause. 

Ka Simo lebt mit seiner Familie – er hat sechs Kinder – in Calatagan auf den Philippen. Der Ort liegt Meerenge „Verde Island Passage“, im Deutschen auch als Isla-Verde-Straße bekannt. Sie trennt die philippinische Hauptinsel Luzon von der südlich gelegenen Insel Mindoro. 

Der Meereskorridor beherbergt über 1700 Fischarten. Rund 60 Prozent aller weltweit bekannten Küstenfischarten finden sich hier. Felsschluchten, Riffe, über 300 Korallenarten und Tausende anderer Lebewesen sind ebenfalls im Meer vor Ka Simos Heimat zu finden. Mehr als zwei Millionen Menschen in der Region leben vom Tourismus und vom Fischfang.

Zoom-Konferenz mit Ka Simo, Angelica Dacanay und Nicole Rath von urgewald

Doch was bringt den Fischer nach Europa? Das Ökosystem in der – ohnehin schon viel befahrenen – Meerenge ist in Gefahr. Konzerne wie die philippinische San Miguel Corporation oder der britische Öl- und Gaskonzern Shell wollen acht Gaskraftwerke und acht fossile Flüssiggas-Importterminals bauen, berichtet „urgewald“, eine Umwelt- und Menschenrechtsorganisation.

Weil es östlich von Calatagan bereits Gaskraftwerke gibt, weiß Ka Simo, was diese Anlagen für die Fischerei bedeuteten. „Das Kühlwasser der Kraftwerke erwärmt das Meerwasser, das schadet den Meereslebewesen und führt zu weniger Fischfang.“ Dagegen protestiert Ka Simo, er ist Vorsitzender der Fischer-Vereinigung gegen den Gasausbau. Unterstürzt wird die Vereinigung von der der philippinischen Nichtregierungsorganisation CEED, für die Angelica Dacanay arbeitet. Sie sitzt neben dem Fischer und sagt: „Auf den Philippinen gibt es ein riesiges Potential für erneuerbare Energien, Expertinnen und Experten gehen dabei von 1000 Gigawatt aus. Vor allem Solarenergie kann uns mit Energie versorgen. Wir brauchen keine Gasimporte, zumal der Strom aus der Sonne viel günstiger ist, als es die Energie aus Gaskraftwerken sein könnte.“

Bedrohte Biodiversität in der Verde Island Passage auf den Philippinen

Lesen Sie hier, warum Erneuerbare zwar günstige Energie produzieren, Strom für uns Kunden aber trotzdem teuer ist

Nicole Rath ist Divestment-Campaignerin bei urgewald. Divestment? Darunter versteht man die Idee, dass sich Gelder nicht nur investieren lassen, dass Investitionen also keine Einbahnstraße sind. Stattdessen können sich Geldgeber – zum Beispiel Banken oder Versicherungen – auch aus Investments zurückziehen. 

Nicole Rath sagt: „Wer fossile Gasprojekte in der Verde Island Passage unterstützt, macht sich mitschuldig an irreparablen Umwelt- und Klimaeingriffen. Hier helfen deutsche Finanzkonzerne dabei, ein Land mit gewaltigen erneuerbaren Wachstumspotentialen tiefer in fossile Abhängigkeit zu treiben. Investoren und Banken wie Allianz, Deutsche Bank oder UBS sollten beweisen, dass sie ihre grüne Rhetorik ernst meinen und schnellstmöglich aus der Finanzierung der beteiligten Unternehmen aussteigen."

Ka Simo und die beiden Frauen müssen bald nach unserer Videokonferenz weiter nach Wien. In der Schweiz hat er mit Nicole Rath und Angelica Dacanay vor der UBS-Zentrale protestiert. Ihre Forderung: Die Schweizer Bank soll ihre Unterstützung der Investoren überdenken, die auf den Philippinen Gasterminals und -Kraftwerke errichten wollen. Was nimmt der Fischer mit an Rückmeldungen von Finanzvertretern? „Es kommt keine klare Antwort. Sie sagen: ‚Wir schauen uns das an.‘ Aber das muss ein Ende haben, ein schnelles Ende. Wir leben von der See. Dieser Planet ist unser gemeinsames Zuhause“, sagt Ka Simo. Starke Worte, die noch stärker nachhallen, wenn man ein Gesicht und Geschichte dazu hat. 

Was können wir, was kann jede(r) einzelne tun, um dranzubleiben? Wir können uns fragen: Bei welcher Bank haben wir Konten? Bei welchen Versicherungen sind wir Kunden? Wo und wie legen wir unser Geld an? Den entsprechenden Institutionen können wir schreiben und fragen: Investieren Sie noch in fossile Energien, ja oder nein? Kommt ein „Ja“ oder keine Antwort, wäre das ein guter Anlass, die Bank oder die Versicherung zu wechseln. 

Es gibt Banken, die mit nachhaltiger Geldanlage werben und die plausibel darlegen, dass sie es ernst meinen. Darunter ist auch die Evangelische Bank. Und es gibt nachhaltige Fonds, die fest verankerte Ausschlusskriterien haben, in welche Geschäfte sie nicht investieren. Um sich ein Bild über diese Anbieter und die Möglichkeiten einer wirklich nachhaltigen Geldanlage machen zu können, empfehle ich das Portal ecoreporter.de.

Ich selbst bin vor einiger Zeit zur Evangelischen Bank gewechselt, weil ich sicher sein möchte, dass mein Geld keinen Schaden anrichtet. Es war, zugegeben, auch nervig. Denn es macht Arbeit. Aber wenn die getan und das eigene private Divestment vollendet ist, fühlt es sich auch gut an.

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