Wie man sich in Frieden trennen oder versöhnen kann
15.11.2010

Das ist sie ­ die große Liebe. Man verspricht sich den Himmel auf Erden, will sich vertrauensvoll binden in alle Ewigkeit. Nicht einmal der Hauch eines Gedankens an Trennung kommt auf. Trennung? Pah, das ist etwas für andere. Und dann, nach Monaten, nach Jahren kriecht es langsam wie Gift ins Bewusstsein, jeden Tag ein bisschen mehr: Es ist vorbei, es geht nicht mehr. Manchmal tut es auch nur einen einzigen dumpfen Schlag, und man ahnt: Das muss das Ende sein. Vom Himmel auf Erden ist nicht mehr die Rede; erdrutschartig scheint eine ganze Welt verloren zu gehen. Dann keimt wieder Hoffnung auf: Vielleicht ist es gar nicht so, möglicherweise ist noch etwas zu retten?

Trennung? Pah, das ist etwas für andere.

Nichts zu retten ist, wenn ein Partner den anderen misshandelt, wenn Kinderseelen und -körper malträtiert werden oder Sucht das Leben zur Hölle macht. Keimt bei einem Schläger oder Seelenterroristen keine Einsicht, dann gebietet die Verantwortung zu gehen, bevor Leben unwiderruflich zerstört wird. Manch gebeutelte Frau scheut den Schritt: Schreckliche Gewöhnung scheint besser als Trennung, die dem Leben dient. Und was sagen die anderen, was sagt Gott dazu? Ein Gott, von dem man vielleicht gehört hat, er verpflichte einen dazu, sich alles gefallen zu lassen; Eltern, die behaupten, man müsse die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hat... Scham über eigenes Versagen kommt noch dazu.

Andererseits kann man bei der schnell wachsenden Zahl von Trennungen doch auch ins Grübeln kommen. Sind Menschen heute leichtfertig, weil sie leicht fertig sind mit einer Beziehung? Wer Schluss machen möchte, muss sich auf jeden Fall gewichtigen Fragen stellen, um nicht voreilig das Weite zu suchen und sich dabei womöglich zu verlieren. Einfach gehen geht nicht. Werden die Probleme, die eine Trennung scheinbar nötig machen, durch diese Trennung wirklich gelöst? Die eigenen Schwierigkeiten kann man nämlich nicht einfach hinter sich zurücklassen. Man hat sie immer im Gepäck, wenn sie nicht verarbeitet wurden.

Hat sich Langeweile breit gemacht, ist der Kick durch einen neuen Partner eben nicht die Lösung. Was soll in der nächsten Beziehung passieren, wenn sich wieder Alltagsroutine eingeschlichen hat? Ein dritter, vierter Versuch mit immer anderen, scheinbar viel aufregenderen Männern oder Frauen? Natürlich kann einen auch die Summe der Eigenheiten eines Gefährten nach und nach auf die Palme bringen. Was das faszinierend Andere war, wird zur strapaziösen Dauerbelastung. Kann schon sein ­ aber immer lohnt sich die Mühe der Auseinandersetzung. Blindekuh spielen hilft nicht. Man muss genau hinschauen, um zu sehen, wo es fehlt.

Wie ist es dazu gekommen?

Untreue ist schwer zu ertragen. Doch wie ist es dazu gekommen? Ist der andere ein notorischer Fremdgeher, dem man tatsächlich nicht trauen kann, oder ist selbstverständlich gewordene Rücksichtslosigkeit der Grund, dass einer sich respektvollen Umgang woanders sucht? In der berühmten Bergpredigt Jesu heißt es, dass einer die Ehe in seinem Herzen schon gebrochen hat, wenn er eine andere begehrlich ansieht. Mir scheint das eine zarte Mahnung zu mehr Zärtlichkeit zu sein: Ihr Paare, habt liebevoll aufeinander Acht, bevor ihr euch aus den Augen verliert und andere ins Blickfeld geraten... Vor einer Trennung ist es gut, darüber nachzudenken, was man zurücklässt: einen Menschen, mit dem einen gemeinsame Geschichte verbindet. Was bleibt man ihm schuldig an Liebe, an Wahrheit, an Treue?

Aber es gibt Situationen, in denen die Entscheidung gefällt werden muss: Bleiben oder gehen? Dann etwa, wenn einer den anderen ständig heruntermacht, wenn Lebensentwürfe so unterschiedlich werden, dass es keine gemeinsamen Pläne mehr gibt, wenn Gleichgültigkeit die Beheimatung beim anderen in Nichts auflöst. Partnerschaften können zerbrechen, auch wenn sie in bester Absicht eingegangen worden sind. Menschen können scheitern. Dieses Wissen ist im christlichen Glauben fest verankert. Gott liebt einen nicht aufgrund erfolgreicher Lebensführung, sondern "allein aus Gnaden". Nicht Vergeltung, Vergebung ist das tägliche Brot, von dem Menschen leben.

Weil ernst zu nehmende Partnerschaften immer auf Dauer angelegt sind, kommt man zum eigenen Wohl und dem des anderen an harter Beziehungsarbeit nicht vorbei. Respekt vor empfundener und geschenkter Liebe erfordern es. Zeit und Mühe, die solche Arbeit kostet, könnten zu einer Trennung führen, bei der man im Frieden auseinander geht. Bei der man sogar danken kann für das, was einem geschenkt wurde, und verzeihen, was man einander angetan hat. Herauskommen kann bei einem solchen Prozess auch ein völlig neues Ja zueinander. Am Ende vielleicht doch zu sagen: "Wir bleiben", das ist eine wunderbare Erfahrung, der allerdings viel Rückschau, Einsicht und neue Perspektiven vorangehen. Sie ermöglichen eine tatsächlich neue Beziehung zum "alten" Partner.

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