Cornelia Coenen-Marx über Sprache zur Integration
20.10.2010

Vor ein paar Monaten ist meine Freundin mit ihrem amerikanischen Mann von Philadelphia nach Göteborg gezogen. Inzwischen lernt die ganze Familie eifrig Schwedisch. Für die Kinder ein Muss, selbst wenn sie zur internationalen Schule gehen. Wie sollen sie sonst ihre schwedischen Freunde wirklich verstehen? Die Firma des Mannes allerdings ist nach mehreren Fusionen so international, dass Englisch als Geschäftssprache dominiert. Nur nach Dienstschluss ist Schwedisch unverzichtbar. Sonst bekommt man als Chef schließlich nicht mit, was das Team wirklich bewegt. Trotzdem finden die meisten amerikanischen Kollegen, dass sich der Aufwand, dafür Schwedisch zu lernen, nicht lohnt. Mit Englisch kommt man weit herum, wer dagegen in der Welt spricht schon Schwedisch?

Sprache ist ein wichtiger Schlüssel zur Kultur

Aber: Sprache ist ein wichtiger Schlüssel zur Kultur und zu den Herzen der Menschen. Darum meinte auch der Präsident des Deutschen Fußballbundes, ein ausländischer Bundestrainer sei zwar denkbar, er müsse jedoch so viel Deutsch sprechen, dass er mit den Spielern auch unter vier Augen reden könne.

Recht hat er: Teamgeist braucht eine gemeinsame Sprache. Deswegen hat der Bundestag nun endlich beschlossen, alle neu ankommenden Einwanderer zu einem Sprachkurs zu verpflichten ­ und auch bis zu fünfzigtausend schon bei uns lebende Ausländer müssen an einem Kurs teilnehmen. Immerhin 230 Millionen Euro lässt sich der Bund das kosten. Wer besonders integrationsbedürftig ist, aber das Angebot nicht annimmt, dem droht künftig eine Kürzung der Sozialhilfe.

Denn Heimat ist, wo man verstanden wird. Wenn allerdings in einer Grundschulklasse drei Viertel aller Kinder türkisch sind, dann bleibt es auch weiterhin schwer, Deutsch als Unterrichtssprache durchzusetzen. Spätestens in den Pausen dominiert das Türkische. Denn in der muttersprachlichen Gruppe fühlen sich die Kinder geborgen.

Jeder, der schon einmal eine Fremdsprache gelernt hat, weiß, dass es Mut erfordert, mit begrenztem Wortschatz und unsicherer Grammatik Brücken zu schlagen ­ zu fremden Menschen, in unbekanntes Gelände. Man riskiert auszurutschen bei diesem unsicheren Gang ­ dort, wo wir selbst Fremde sind, wo wir ohne vertraute Wurzeln sind und ohne sozialen Einfluss.

Integration ist keine Einbahnstraße

Da ist es wohltuend, wenn ein Muttersprachler Toleranz und Großmut zeigt und ganz selbstverständlich mit dem rechten Wort zur rechten Zeit weiterhilft. Das stärkt den Rücken und löst die Zunge; und plötzlich hören wir uns selbst in einer anderen Sprache reden, fast so, als sei es die eigene. Es sind die Augenblicke der Selbstvergessenheit, in denen die Sprachbarriere fällt. Wer solche pfingstlichen Momente erlebt hat, der kann sich auch auf die schwierigen Augenblicke einlassen, in denen man erstmals die Fremdartigkeit der anderen Sprachwelt entdeckt.

Schade nur, dass wir trotzdem noch immer in Hierarchien denken, wenn es um Sprache geht. Zum Beispiel, dass Schwedisch "nicht lohnt", weil es ja auch mit Englisch geht. Oder dass hierzulande kaum einer von uns Türkisch lernt. Darin spiegelt sich auch die wirtschaftliche und politische Bedeutung der Nationen. Und wie wir uns und den anderen sehen. Selbst der hoch gebildete Albert Schweitzer lernte leider nie Galoa, die Sprache der Einwohner in Lambarene...

Integration ist keine Einbahnstraße. Deutschkurse für Einwanderer sind nötig, aber auch wir brauchen Neugier, Respekt und Wissen über fremde Kulturen. Denn je mehr wir verstehen, desto weiter wird unser Horizont. 

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