Freiheit lässt sich nicht nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül ermessen. Entscheidend ist ein verantwortliches Miteinander
Evelyn Dragan
29.04.2011
Palmarum
Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.
Markus 14,3-9

Der Glaube und das Geld! Ich erinnere mich an eine Diskussion in der hannoverschen Landeskirche: Darf ein Fest für Ehrenamtliche so viel kosten? Was könnte mit dem Geld doch alles finanziert werden! Oder der Evangelische Kirchentag: Lohnt sich das, für fünf Tage solche Summen auszugeben?

Bemerkenswert, wie realistisch Jesus mit Geld umgeht. Für ihn ist Geld nichts Besonderes. In den Gleichnissen spricht er vom verlorenen Groschen genauso wie vom verlorenen Schaf. Anhand einer Münze veranschaulicht Jesus: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört. Aber gebt Gott, was Gott gehört. Dass Judas ihn für Geld verraten wird, ist Jesus klar. Doch Geld an sich hat für ihn offenbar nichts Verwerfliches.

Solche Freiheit definiert sich nicht durch Geld und Erfolg

Entscheidend ist die Frage: Wie gehe ich damit um? Versuche ich, zu raffen und zu horten wie der reiche Kornbauer? Oder bin ich freigiebig wie die Frau, die Jesus salbt?

Da geht es um Freiheit, die nicht mit dem Libertinismus gleichzusetzen ist, mit dem Freiheit heute oft verwechselt wird. Sie meint kein Banalisieren und Trivialisieren von Werten und Überzeugungen. Sie hat nichts mit dieser Individualität zu tun, die zum Beispiel die Werbung mit einem Mann veranschaulicht, der seinem Freund Fotos hinknallt: „Mein Haus, meine Frau, mein Auto.“ Solche Freiheit definiert sich nicht durch Geld und Erfolg. Gemeint ist eine Freiheit, die sich auf das Miteinander bezieht. Sie ringt stets um die Freiheit des anderen und verantwortet das eigene Handeln vor Gott und den Menschen.

Hingabe und Verschwendung im schönsten Sinne

Diese Frau in Bethanien kam während einer Mahlzeit einfach herein und goss Jesus kostbares Öl aufs Haupt. Das ist und bleibt skandalös. Nicht umsonst ist sie in die Geschichte eingegangen. Eine Verschwenderin! Eine Hure gar? Viele Geschichten ranken sich um sie, bis in die Literatur unserer Tage. Doch trotz allem: Diese Frau hat eine innere Haltung von Freiheit! Sie ist freigiebig über alles Maß und sittliches Empfinden hinaus. Namenlos bleibt sie, wie viele Frauen in Bibel und Geschichte. Und doch behält Jesus recht: Ihr Tun wird erinnert – seit 2000 Jahren.

Das ist ein Zeichen für den Erfolg der Missionsgeschichte, wie die Exegeten sagen. Es ist aber auch eine Geschichte der Liebe. Diese Frau will Jesus alles geben, was sie hat. Das ist Hingabe und Verschwendung im schönsten Sinne – eine wundervolle Geste. Geben ist ja oft viel leichter als empfangen. Dass Jesus es zulässt, dass ihm jemand Gutes tut, ist ein Zeichen von Größe. Und es ist eine Frage der Freiheit, geben zu können. Jesus weist die anderen zurecht, die meckern und lästern. Das Leben darf trotz Not und Leid genossen werden.

Was steht im Mittelpunkt dieser Erzählung? Die Herausforderung durch Armut? Der Verweis auf die Salbung Jesu nach seinem Tod? Oder die missionarische Komponente? Aus meiner Sicht stehen alle drei Aspekte nebeneinander.

Armut: „Arme habt ihr allezeit bei euch“ – das ist eine empörende Aussage. Ich habe sie schon als Argument dafür gehört, dass sich Christinnen und Christen nicht gegen Armut engagieren sollten. Dieser Satz ist jedoch keine Vertröstung und keine fatalistische Festschreibung der bestehenden Zustände! Er ist eine Aufforderung, die Armut als Herausforderung zu sehen.

Ostern: Es lässt sich eine Verbindungslinie ziehen von jener namenlosen Frau zu den Frauen, die sich am Ostermorgen aufmachen werden, um den Leichnam Jesu zu salben. In Leben und Tod weichen die Frauen nicht von seiner Seite, sondern haben den Mut, zu ihm zu stehen.

Mission: Wer bleibt im Gedächtnis der Menschheit haften? Die Herrscher, Feldherren, Adligen und Promis dieser Welt? Nein, es sind die Namenlosen, die Liebe, Freiheit und Mut zeigen. In diesem Sinne ist diese Geschichte ein gutes Beispiel für gelungene Mission.

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