Fulbert Steffensky, Theologe am Vierwaldstättersee in Luzern fotografiert.Sophie Stieger
30.04.2011
Ewigkeitssonntag - Letzter Sonntag im Kirchenjahr
Siehe, ich mache alles neu!
Offenbarung 21,5

Wie lerne ich, der Nachricht eines biblischen Textes zu vertrauen und sie zu glauben?

Ich überlege, wer diese Nachricht unter Seufzen und Tränen gehört und geglaubt hat, und ich glaube dem Glauben dieser alten Hörer und Hörerinnen. Ich sehe die Seufzenden dieser Welt und erkenne, dass die Botschaft der alten Stimme für sie unerlässlich ist. Ihr Schmerz macht mir die Nachricht glaubwürdig.

Ich erschöpfe mich nicht in der Behauptung der Korrektheit der alten Wahrheit, sondern erkenne und bewundere ihre menschenfreundliche Schönheit. Ich höre die alte Stimme und spreche ihr nach, noch ehe mein Herz an sie heranreicht. Ich glaube der Botschaft auf Probe und lerne so den Glauben.

So also mache ich mich an dieses große Gedicht der Hoffnung aus der Geheimen Offenbarung. „Neu“ ist sein Grundwort. Der Prophet der Apokalypse sieht schon den „neuen Himmel“, die „neue Erde“ und das „neue Jerusalem“.

Die große Mutter, die „alle Tränen“ von den Augen der Weinenden wischt

Er hört die Stimme dessen, der auf dem „großen, weißen Thron“ sitzt und verspricht: „Siehe, ich mache alles neu!“ Die alten die Erde verwüstenden Mächte sind gebannt. Der Satan ist „in den Pfuhl von Feuer und Schwefel“ geworfen. Der Tod und das alles verschlingende Meer mussten die Toten herausgeben, und der Tod selbst ist in den „feurigen Pfuhl“ geworfen. Die alte Erde und der alte Himmel, die widerhallten vom Geschrei der Leidenden und der Betrogenen, sind geflohen, „und es wurde keine Stätte für sie gefunden“.

Das A und O des neuen Himmels und der neuen Welt sind nicht mehr die Kräfte der Ausbeutung und der Zerstörung. Nichts mehr wird diktiert nach dem Alphabet der Erniedrigung und der Beleidigung. In der „heiligen Stadt“, die „von Gott aus dem Himmel herabgekommen ist“, wird nun nach dem Alphabet des Trostes und des Lebens für alle geschrieben. Das A und das O ist die große Mutter, die „alle Tränen“ von den Augen der Weinenden wischt.

Das A und O, das Erste und das Letzte ist der Gott, der sein Zelt bei den Menschen aufgeschlagen hat und von ihnen nicht mehr zu trennen ist.

Die Stadt braucht keinen Tempel, denn Gott selber ist ihr Tempel

Diesen Text hören wir am Ewigkeitssonntag, und er wurde über Millionen von Gräbern gesprochen und gehört. Ich bewundere seine starrköpfige Hoffnung, die keinen Toten verloren sein lässt. Ich bewundere seinen Aufstand gegen die zwangsläufigen Sachverhalte, in denen die Toten als tot gelten; die Bestien der Macht als unbesiegbar und die Tränen der Armen als fatale Gegebenheiten.

Die ihn sprechen, weigern sich, irgendetwas und irgendeinen für verloren zu erklären. Es ist nicht nur versprochen, dass die Toten dem Tod entrissen sind. Es ist die neue Stadt versprochen, das „neue Jerusalem“, dessen Tore aus großen Perlen bestehen; dessen Grundsteine Saphire und Smaragde sind; die keine Sonne und kein Mond braucht, weil die Herrlichkeit Gottes ihr Licht ist. Die Stadt braucht keinen Tempel, denn Gott selber ist ihr Tempel. Ihre Tore sind nie geschlossen, weil es keine gefährliche Nacht mehr gibt. Selbst das gefährliche und alles bedrohende Meer ist verschwunden.

Ist dies nicht ein Bild wider die Natur? Ja! Gegen die „Natürlichkeit“ von Tod, Leid, Ausbeutung und Gewalt. Den neuen Frieden zu schildern, dazu ist dem Verfasser alles recht, sogar die Vergänglichkeit des schönen Meeres. „Mein Geist will sich in dieses Buch nicht schicken“, hat Luther von der Apokalypse gesagt. Das kann man verstehen, wenn man die prophetische Besserwisserei und das Kampfgelüste dieses Buches bedenkt. Aber um dieses Abschnittes wegen kann man ihm viel vergeben.

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