Susanne Breit-Keßler Leibgericht
Susanne Breit-Keßler
Leibgerichte
In diesen Zeiten braucht es Erinnerungen, die lebendig machen


24.02.2021

„Gut essen ist mein Leibgericht“ hieß ein Buch, das meine Eltern zuhause hatten. Es ist Ende der 1950er Jahre erschienen und war eine kulinarische Reise durch ganz Deutschland. Wenn ich mich recht erinnere, waren auch angrenzende Länder mit Rezepten vertreten. Ich liebte als Kind dieses Buch fast genauso wie den häuslichen Opernführer, weil man bei der Lektüre versank in Geschichten und anderen Orten, in Tönen, Düften und Geschmäckern. Ich könnte es derzeit wieder gut gebrauchen – aber es ist offenbar nicht mehr erhältlich. 

„Gut essen ist dein Leibgericht“ pflegte meine Mutter, eine wirklich gute Köchin, in feiner Abwandlung des Buchtitels entweder zu meinem Vater oder zu mir zu sagen. Wenn sie etwas herzhafter drauf war, sagte sie auch mal „Fressmollo“ zu uns. Das Wort gab es nur im Singular und ich weiß nicht, wo es herkommt. Es gibt ein Kinderbuch, in dem der Mäuserich Mollo seinen Saurierfreund mit einer Kuchenback-Therapie davon heilt, alle Kumpels zum Fressen gern zu haben. Aber das war damals längst noch nicht erschienen. 

Diese tolle Einheit aus Materie und Bewusstsein

In Wahrheit war meine Mutter glücklich, dass ihre Zwei alles, also fast alles begeistert aufaßen, was sie servierte. Dick wurden wir nicht, wie das Wort „Fressmollo“ nahelegt. Dazu war das Essen zu gesund. Zwischendurch gab es eh nichts, es sei denn, mein Vater und ich plünderten unser geheimes Schokoladenlager. Auf jeden Fall hatten wir beide viele Leibgerichte. Er mochte zum Beispiel Kartoffeln mit Meerrettichsauce, manchmal ein  Wammerl, einen geräucherten Schweinebauch, oder Kirschauflauf. Brrrr - alles so gar nicht nach meinem Geschmack. Wenn ich wünschen durfte, waren es Nudeln mit Sauce oder Königsberger Klopse.  

Leibgericht. Ein schönes Wort. Essen stillt nicht bloß die Bedürfnisse des Körpers, den man hat. Essen dient dem Leib, dieser tollen Einheit aus Materie und Bewusstsein, Geist und Gefühl, die man selber ist. Ein Leibgericht, das ist etwas, was man, hübsch präsentiert, mit allen Sinnen und dem Verstand genießt. Kompliziert muss es nicht sein. Ich verrate Ihnen noch zwei meiner Leibgerichte: Erbsen mit Sahnesauce, Kapern und einem gekochten Ei. Käsebrot mit Mayonnaise und Essiggurke. Was glauben Sie, wie das den ganzen Menschen in dieser irren Zeit beflügelt ….

Sie wollen mehr lesen? Dann gibt es jetzt das Buch dazu von Susanne Breit-Keßler

"Prost Mahlzeit!".  Für gute Laune beim Kochen, mit vielen Rezepten, Kolumnen und Illustrationen. edition chrismon, 144 Seiten

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