Susanne Breit-Kessler -Pralinen
Susanne Breit-Kessler
Thunfisch als Dessert
22.02.2023

Jedes Mal, wenn ich vor einer Auswahl von feinsten Pralinen stehe, denke ich an Lucy und Charlie Brown. Die beiden Hauptfiguren der wundervollen Comic-Serie „Peanuts“ sind in einen ihrer weithin konfliktuösen Dialoge verstrickt. Die herrische Lucy bietet dem schüchternen und immer wieder zum Scheitern verurteilten Charlie eine Süßigkeit an. Er überlegt und überlegt, um nur ja nicht das Falsche zu nehmen. Bei bossy Lucy weiß er, hat man nur eine einzige Chance. 

Ich kenne das, weil ich stets versuche, Marzipan zu umgehen. Was sieht so aus, als enthielte es die von mir ungelittene Mandelmasse? Nachdem ich zwar mehr nehmen darf als Charlie, aber nicht will, muss ich wie er sorgfältig nachdenken. Solche Überlegungen kosten Zeit. Und das ärgert Lucy oder die Leute hinter mir in der Schlange am Desserbuffet. „Take one“ herrscht Lucy den armen Charlie an und prompt erwischt er das Zeug, das er nicht mag. Das traut sich bei mir natürlich keiner. Aber alle rollen die Augen.

Wie kann man nur so lange brauchen, wenn man am Ende mit einer lachhaften Praline abzieht? Ich kann. Gerade weil es nur eine ist, muss es passen. Haut man zehn oder mehr Kunstwerke des Chocolatiers oder der Pâtissière weg, darf schon mal ein Flop dabei sein. Bei mir nicht. Erfahrung ist gefragt. Kakaopulver obendrauf spricht für eine cremige Füllung, genauso wie rote Farbe Fruchtiges verspricht. Eine längliche Form lässt inhaltlich Ingwer, Orange oder Zitrone erhoffen. 

Liebe Meister und Meisterinnen der kleinen Süßigkeiten, könntet ihr vielleicht einen Geheimcode entwickeln? Etwas, das Menschen wie Charlie Brown und mich vor Marzipan und ähnlich Ungeliebtem bewahrt? Bei Pralinenschachteln sind manchmal Zettel beigelegt, mit Hilfe derer man herausfinden kann, was sich unter der Schokoladendecke verbirgt. Die Zeichnungen dazu ähneln zwar Höhlenmalereien, aber man hat wenigstens eine Chance, zu bekommen, was man vor seinem inneren Auge sieht.

Ich bin sicher, berühmte Pâtisseuren oder Maîtres de Chocolatier könnten das. Sie gehören zum Kreativ-Team der feinen Küchen. Grüner Pfeffer oder Balsamico auf Erdbeeren ist für sie ein so alter Hut wie Minz-Himbeeren und Tonkakirschen. Heute gibt es Ananas mit Dill,  Salzkaramell in delikaten Variationen, Mango-Lassi-Füllungen und scharfe Habanero-Trüffel. Bitte? Echt? Manche machen inzwischen Pralinen mit Gorgonzola, Thunfisch oder Gänseleberpastete? Arrggghh. Pfäh. Ich nehme die mit Marzipan. 

Vom Blog zum Buch:

Sie wollen mehr lesen? Dann gibt es jetzt das Buch dazu von Susanne Breit-Keßler

"Prost Mahlzeit!".  Für gute Laune beim Kochen, mit vielen Rezepten, Kolumnen und Illustrationen. edition chrismon, 144 Seiten

 

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.

Kolumne