Luftbruecke - junge Frau
Tahora Husaini
"Wenn ich sterbe, hat meine Familie weniger Probleme..."
Ist das afghanische Volk dazu verdammt, das traurigste Volk der Welt zu sein?
Tahora HusainiPrivat
15.11.2022

Individuelle Freiheit ist ein dem Menschen innewohnendes Bedürfnis. Die Freiheit zu denken, zu träumen, eine Meinung zu haben, diese Meinung auch äußern zu können, die Wahl der Kleidung, der Religion, der Sprache und vieles mehr.

Der Mensch hat grundlegende Wünsche und Bedürfnisse, die zu inneren Konflikten führen, wenn ihnen Beschränkungen auferlegt werden. Afghanistan galt bereits als eines der traurigsten Länder der Welt - doch mit der Ankunft des Islamischen Emirats wurden den Menschen weitere Beschränkungen in ihren täglichen Leben, Wünschen und Bedürfnissen auferlegt, deren Folgen sehr zerstörerisch sind.

Frauen, die früher eine gesellschaftliche Stellung innehatten und an sozialen Aktivitäten teilnahmen, wurden hinter die Vorhänge der Häuser zurückgeworfen. Mädchen, die viele Träume hatten, wurde das Recht auf Bildung und sogar das Recht, zu träumen, entzogen.

Doch welche Auswirkungen haben all diese Einschränkungen auf die psychische Gesundheit einer Gesellschaft?

Es stimmt, dass die Armut und der weit verbreitete Hunger nach der Machtübernahme durch die Taliban eine schwere Krise darstellen, aber die psychologischen Auswirkungen der Beschränkungen sind sehr besorgniserregend. Es ist wie ein stiller Krieg in der Gesellschaft. Die Selbstmorde unter Frauen haben zugenommen und Frauen und Mädchen sehen keine Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation

Viele Männer wurden mit der Ankunft des Emirats arbeitslos und sind zu Hause. Früher waren alle Familienmitglieder mit Arbeit und Aktivitäten beschäftigt und die Familienbeziehungen waren relativ gesund. Aber jetzt hat die häusliche Gewalt zugenommen. Jeden Tag sehen wir Nachrichten über häusliche Gewalt, die Zunahme von Suiziden, Morden, Diebstählen und generell der Kriminalität.

Gestern nocht träumte sie von der Zukunft, heute sieht sie sich als Ursache des Problems

Nach einem Bericht von „Save The Children“ leidet jedes vierte Mädchen in Afghanistan an Depressionen und Angstzuständen. Aliah, ein Mädchen das dieses Jahr in die 8. Klasse gehen sollte, leidet unter schweren Angstzuständen und hat begonnen, sich selbst zu verletzen. Sie rasiert sich jeden Tag die Haare und verletzt ihren Körper. Als einer meiner Freunde, der in einer psychiatrischen Klinik arbeitet, sie nach dem Grund für ihre Selbstverletzungen fragt, antwortet sie: "Ich bin die Hälfte der Probleme in dieser Gesellschaft. Wenn ich sterbe, haben meine Familie und die Gesellschaft weniger Probleme".

Strukturelle geschlechtsspezifische Diskriminierung dient der Unterdrückung, ihr Zweck ist der psychologische Druck, der Mädchen dazu bringt, sich als Problem der Gesellschaft zu betrachten. Die Mädchen, die gestern noch große Träume hatten und ihr Land zu Fortschritt und Entwicklung führen wollten, sehen sich heute als Ursache für das Elend in ihrem Land.

Wer kann, flieht aus der Heimat

Nach dem Machtwechsel gibt es keine Einrichtungen mehr, die Frauen unterstützen, die unter Gewalt und psychischen Störungen leiden – Einrichtungen, die früher sichere Zufluchtsorte waren. Es gibt nur noch sehr wenige Zentren für die Behandlung psychisch erkrankter Menschen. Andererseits sprechen viele Menschen, insbesondere Frauen, aus sozialer Scham nicht über ihre psychischen Probleme, bis diese sehr akut werden. In einigen Fällen ist es dann aber zu spät, um sie zu retten.

Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage und des Hungers der Menschen haben die Männer an der Macht immer noch keine Strategien für die Beteiligung von Frauen und Mädchen an der Gesellschaft entwickelt.

Die Menschen in Afghanistan wissen, dass die internationale Gemeinschaft kein Interesse mehr an diesem Land hat und andererseits gibt es unter den Händen der Terroristen keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diejenigen, die es sich leisten können, wandern in die Nachbarländer aus....

Anmerkung zum Foto oben:
Das Bild stammt aus meiner Ausstellung "Her Pain"

 

 

 

 

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