Foto: privat
In memoriam
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
21.09.2018

Wir hatten verabredet, uns zu treffen. Was nicht ganz einfach war, weil Ulrich Schacht in Schweden lebte. Ich hatte einige seiner Gedichte gelesen, die mich beeindruckt haben. Auch hatte ich seine Erzählung über seine furchtbaren Erfahrungen in der DDR gelesen (er war in einem Gefängnis geboren worden und später lange inhaftiert gewesen). Zur Vorbereitung unseres Gesprächs schickte er mir theologische Texte, die ihn als sehr ernsthaften evangelischen Christen auswiesen. Da hätten wir einen guten Anknüpfungspunkt gehabt. Denn seine Theologie interessierte mich, auch wenn mir seine besondere Frömmigkeit, die er in einer evangelischen Gemeinschaft pflegte, aus der Ferne nicht leicht verständlich war.

Ulrich Schacht scheint ein großzügiger Mensch gewesen zu sein. Jedenfalls schickte er mir auch noch einen Roman und eine Novelle, für die er viel Anerkennung erfahren hatte. Auch darüber hätte ich gern mit ihm gesprochen, weil mir der Wechsel vom Gedichte- zum Romane-Schreiben sehr schwer erscheint. Wenn ich ehrlich bin, haben seine Erzählungen mich weniger angesprochen als seine Verse. Schließlich hätte ich auch gern über sein politisches Engagement mit ihm diskutiert. Ich habe davon nur wenige Bruchstücke wahrgenommen, die ich entweder nicht einordnen konnte oder sehr problematisch fand. Ob wir uns hätten verständigen können? Oder wären wir im Streit auseinandergegangen, ich nach links und er nach rechts? All dies, werde ich nicht mehr erfahren. Denn Ulrich Schacht ist in nun in seiner Wahlheimat Schweden viel zu früh verstorben. Für mich bleibt die Leseerinnerung an seine Gedichte. Viele sind sehr zart, eigen, schwebend, nachdenklich. Nur eines, über den rechtsextremen Terroranschlag in Utøya, hat mich verstört und abgestoßen. Das werde ich jetzt vergessen und lieber dieses Gedicht in Erinnerung bewahren.

 

Auf meiner nordischen Terrasse blüht ein

Zitronenbaum: Blütenweiß. Früchtegelb. Greller

 

italischer Traum. Pflücke ich seine Früchte, presse

ich ihren Saft auf die Handvoll Zucker schmeck ich

 

des Sommers Kraft aus der einzigen Sonne die

mir ein Rätsel einbrennt: Wie sie mich, selbst

 

noch im Finstern, über Meridianen

erkennt

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