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Passagen des Lebens, des Glaubens und der Kunst
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
02.04.2019

Zum Glück ist es keine Sensation, keine Provokation, nichts spektakulär Ungewöhnliches mehr, wenn in Kirchen zeitgenössische Kunst ausgestellt wird. Viele Kirchen haben längst Übung in ästhetischer Gastfreundschaft. Doch was man zurzeit in der Kulturkirche St. Markus zu Hannover erleben kann, ist in einem Punkt besonders lehrreich und zur Nachahmung empfohlen.

In der Ausstellung „Passagen. Übergänge des Lebens“ werden zwei Videoarbeiten von Bill Viola gezeigt: „The Passing“ von 1991, noch ganz roh und in Schwarzweiß, sowie „Study for Emergence“ von 2001, eine Art altmeisterlich-spätmodernes Meditationsbild (s. Foto). Hinzu kommt ein Altarbild von Lienhard von Monkiewitsch, das an „Das schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch erinnert. Doch hat St. Markus nicht einfach nur ihre Tore geöffnet und einen Freiraum für die Kunst geschaffen. Vielmehr verbindet das Kuratoren-Team (Anne Kehrbaum, Peter Rautmann) die Präsentation dieser drei Werke mit einer intensiven Erkundung der eigenen Kirchenkunstgeschichte. Gezeigt wird nämlich auch das Altarbild, das zur ursprünglichen Ausstattung der Kirche gehört hatte, dann aber abmontiert und vergessen wurde: eine „Auferstehung Christi" von Oscar Wichtendahl von 1906. Es ist ein besonderes Glück zu sehen, wie dieses nur auf den ersten Blick süßlich-jugendstilige Gemälde mit dem schwarzen Altar-Quadrat von Monkiewitsch sowie den beiden so unterschiedlichen bewegten Bildern von Viola kommuniziert, wie diese vier Kunstwerke miteinander und gegeneinander im Kirchraum sprechen.

Eine Lehre, die ich aus dieser höchst gelungenen Ausstellung ziehen würde, ist diese: Es ist ein erster guter Schritt, zeitgenössische Kunstwerke in die Kirche einzuladen und ihnen dabei ihr eigenes Recht zu lassen, also ihre Autonomie anzuerkennen; es ist aber ein zweiter, notwendiger Schritt, sie dann in einen freien Dialog mit diesem besonderen Raum, seiner Geschichte, Kunst und Botschaft eintreten zu lassen. Es muss diese konzeptionell so überzeugende Idee gewesen sein, die Viola bewogen hat, seine Videoarbeiten nach Hannover bringen zu lassen.

Bis zum 31. März war übrigens in der Londoner Royal Academy of Arts eine Doppelausstellung mit Werken von Bill Viola und Michelangelo zu sehen. Wer sie verpasst hat, kann sich mit einem Ausflug nach Hannover trösten.

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