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Viele Hände und ein Bild
Geschichten aus Kirchengemeinden schaffen es selten in die Nachrichten. Dafür sind sie wohl nicht gemacht. Manchmal lohnt es sich aber doch, sich etwas erzählen zu lassen. Wie zum Beispiel diese hier aus Tribsees.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
10.02.2023

In dieser Kleinstadt auf der Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern gibt es eine schöne alte Kirche, und in St. Thomas steht ein kostbarer Altar aus dem 15. Jahrhundert. Seinen Mittelpunkt bildet eine „Sakramentsmühle“, ein Motiv, das ebenso reizvoll wie befremdlich ist. Wer mehr darüber wissen möchte, klicke hier.

Weniger rätselhaft, dafür gegenwartsnäher ist eine Skulptur, die erst vor kurzem im Altarraum aufgestellt wurde. Sie zeugt davon, was eine Kirchengemeinde zu leisten vermag, wenn sich unterschiedliche Menschen in ihr mit einer gemeinsamen Idee zusammenfinden.

„Vielfarbiges Tribsees – Gemeinschaft durch Teilhabe“ heißt ein von Pastor Detlef Huckfeldt initiiertes Projekt der Kirchengemeinde, das in Zusammenarbeit mit der Malwerkstatt Tribsees durchgeführt wurde. Untergebracht ist die Malwerkstatt in einem ehemaligen Laden. Betrieben wird sie ehrenamtlich von Renate und Andreas Rittmeister. Kinder und Jugendliche sind eingeladen, sich hier kreativ auszuprobieren. Auch Gruppen für Erwachsene werden angeboten. Zum Malen, Nähen, Basteln kommen ebenfalls Menschen aus der Gesamtunterkunft der Stadt. Hier arbeiten die Rittmeisters mit dem Arbeitskreis Asyl zusammen.

Für das gemeinsame Kunst-Projekt sind meine Kollegin Josephine Paetzel und mein Kollege Klaus-Martin Bresgott vom Kulturbüro der EKD von Berlin nach Tribsees gefahren. Denn es war Teil des mehrjährigen Projekts „Land:Gut“. Mit großzügiger Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien haben sie Kirchengemeinden vor allem in Ostdeutschland dazu angestiftet und dabei begleitet, mit Partnern in ihrem Umfeld etwas Kulturelles auf die Beine zu stellen, um so Kirchengemeinde und Gemeinwesen gleichermaßen zu beleben.

In Tribsees haben Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Lebenshintergründen gemeinsam ein Kunstwerk geschaffen. Angeleitet hat sie die Berliner Bilderhauerin Moreen Vogel. Die Skulptur stellt Franz von Assisi dar, den sowohl radikalsten wie liebenswürdigsten aller christlichen Heiligen. Er brach mit seiner reichen Familie, um in völliger Armut zu leben. Das war für ihn weniger ein bitterer Verzicht als das Tor zur Freiheit. Sorglos wie ein Kind, besser gesagt: wie ein Vogel wollte er leben. Auch deshalb war er ein Freund der Tiere und soll ihnen sogar Predigten gehalten haben. Und so sieht er nun aus: von vielen unterschiedlichen Händen geformt, mit Vögeln, Hunden, Katzen, Füchsen, Hasen links und rechts und über ihm. So steht er nun mitten im Altarraum der Thomas-Kirche zu Tribsees und hält eine Predigt ohne Worte.

Übrigens sollen noch Nistplätze für Vögel gebaut und rund um die Kirche angebracht werden.

P.S.: „Lebensmelodien – Musik im Angesicht der Shoah“ über ein außergewöhnliches Musikprojekt spreche ich in meinem Podcast mit dem jüdischen Klarinettisten Nur Ben Shalom.

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