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Keine gestanzte Sicherheitsprosa
Es ist ein Vorurteil, das besonders Kulturfreunde gern pflegen, dass Kulturpolitik öde und nur etwas für unkreative Funktionäre sei. Wie töricht das ist, zeigt ein neues Buch von Deutschlands oberstem Kultur-Lobbyisten Olaf Zimmermann.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
12.05.2023

Publikum und Feuilleton gleichermaßen interessieren sich nur für die Stars auf der hell ausgeleuchteten Bühne. Von denen, die dahinterstehen, möchten sie nicht zu viel wissen. Dabei sind es diese Funktionäre, die dafür sorgen, dass der Betrieb „funktioniert“. Deshalb ist mir der Deutsche Kulturrat, der Dachverband aller deutschen Kulturverbände, ein so wichtiger Partner. Mit dem Geschäftsführer Olaf Zimmermann und seinem tollen Team habe ich schon viel auf die Beine gestellt und von ihnen viel gelernt.

Wer mehr über aktuelle Kulturpolitik erfahren will und sich nicht mit den seltenen Krümeln in den Feuilletons begnügen mag, dem empfehle ich „Politik & Kultur“, die Zeitung des Kulturrats. Man kann sie kostenfrei herunterladen.

An den Artikeln von Olaf Zimmermann schätze ich, dass er immer klar, frei und unverbogen Position bezieht. Das erwartet man von Lobbyisten eher nicht. Aber gestanzte Sicherheitsprosa ist nicht seine Sache. Nun hat er eine Sammlung von Texten veröffentlicht, die zeigen, wie weit gespannt, inhaltlich vielfältig und schlichtweg interessant sein kulturpolitisches Engagement seit nun fast drei Jahrzehnten ist.

Das Buch heißt „Mein kulturpolitisches Pflichtenbuch“ und enthält ungefähr fünfzig, jeweils zwei bis drei Seiten lange Texte. Wie ein roter Faden zieht sich der Wunsch durch diese Glossen und Kommentare, die Intentionen des Grundgesetzes auch kulturpolitisch umzusetzen. Im Kampf gegen Rassismus, aber auch linken Antisemitismus. Oder im Einsatz für eine Überwindung des gender pay und show gaps (so progressiv sind manche Kultureinrichtungen nämlich gar nicht). Oder im Engagement für eine gute Gedenkkultur. Da gibt es viele Überschneidungen zu meiner Arbeit.

Akuten oder chronischen Streitigkeiten weicht er nicht aus, sondern beteiligt sich mit Sachkenntnis und Urteilskraft – nicht jedes Urteil hätte man erwartet. Vieles ist überraschend, zum Beispiel sein Einsatz, Computerspiele als Kulturgut anzuerkennen. Aber wer wollte da noch ernsthaft widersprechen (selbst wenn man wie ich nicht spielt)? Sympathisch finde ich besonders sein Interesse für scheinbar Abseitiges, wie zum Beispiel die kulturelle Welt der Insekten. Nur bei einem Thema komme ich als Norddeutscher einfach nicht mehr mit: Muss ausgerechnet auch der Karneval als Kultur gewürdigt werden? Aber über irgendetwas müssen wir beide auch streiten.

Das schön gestaltete Buch ist beim Deutschen Kulturrat erhältlich.

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