letzte generation
Zweifelhafte Verzweiflungstaten
Es wird intensiv über die Proteste von Klima-Aktivisten diskutiert. Mir fällt dazu eine Geschichte aus dem antiken Griechenland ein.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
31.08.2022

Es war im Jahr 356 vor Christus, als in Ephesos ein Mann namens Herostratos den Tempel der Artemis, ein architektonisches Weltwunder, betrat und ihn anzündete. Warum er dies tat? Es wird erzählt, er habe mit dieser Tat seinem Namen unsterbliche Bekanntschaft verschaffen wollen. Was ihm gelungen ist. Aber gab es noch andere Motive außer seiner Geltungssucht?

Zum Glück haben die Aktivisten der „Letzten Generation“ in den vergangenen Tagen keine Kunstgüter verbrannt. Aber indem sie sich an die Rahmen berühmter Gemälde geklebt haben, haben sie diese schon beschädigt und gefährdet. Ihr Motiv soll der Wunsch gewesen sein, der Klimakatstrophe öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das wäre ein moralisches Motiv. Aber gibt es nicht auch eine moralische Geltungssucht?

Das Anliegen der Aktivisten selbst ist sehr gut nachvollziehbar. Wir leben mitten in einer selbstverursachten Weltkrise, aber beschäftigen uns lieber mit anderen Dingen. Die Politik hat ebenfalls alle Hände voll zu tun, mit diesem und jenem. Da ist ein lauter Aufschrei, ein Ruf zu Protest, Umkehr, Aktion mehr als berechtigt. Aber wie bringt man die Medien dazu, ihn zu verbreiten? Da braucht es anscheinend sensationelle und bildlich eindrucksvolle Aktionen. Aber wer dieser Spur folgt, wandelt genau in den Bahnen, die es zu verlassen gilt, nämlich denen der spätkapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie. Und zugleich verletzt er das, was er zu schützen vorgibt. Aber auch hier gilt: Form und Inhalt müssen einander entsprechen! Mehr Nachdenken und weniger Pose, weniger Spektakel und mehr Nachhaltigkeit, mehr Zusammenarbeit und weniger Darstellungsfreude wäre auch für die Szene der Klima-Aktivisten sinnvoll.

P.S.: Über den Skandal der diesjährigen Documenta hat der Deutsche Kulturrat in seiner Zeitung „Politik und Kultur“ ein Dossier veröffentlicht, an dem ich mitgewirkt habe. Bei Interesse klicke man hier und scrolle zu S. 17ff.

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