Warten, warten, warten...
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Warten, warten, warten...
Unsere Autorin Karin Lackus ist Ende April gestorben. Ihr Blog war ihr sehr wichtig. Sie wollte erzählen und mitteilen, wie es ihr als Kranke geht. In Absprache mit der Familie von Karin Lackus veröffentlichen wir hier ihre letzten Texte, die sie noch vor ihrem Tod geschrieben hat. Wir gedenken ihrer mit Trauer und großem Respekt für diesen Mut, auch über das eigene Lebensende hinaus.
privat
22.05.2023

Kaum hatte ich im Wartezimmer Platz genommen, wurde ich schon in das Arztzimmer gebeten. „Ich bevorzuge grundsätzlich Krebspatient*innen, ich weiß ja, wie viel Zeit Sie mit Warten verbringen“, erklärte mir die Ärztin.

Ich ahne, dass das nicht alle gerecht finden werden, die ihren Arzttermin in einen geschäftigen Alltag quetschen müssen. Doch ich freute mich sehr über dieses wertschätzende und mitfühlende Vorgehen der Ärztin. Kranke Menschen warten oft und lang, auf ein Arztgespräch, eine Blutabnahme, eine Röntgenuntersuchung, auf die Laborergebnisse, auf heilende Prozesse, auf den nächsten Morgen und vieles mehr.

Im Eingangsbereich eines Krankenhauses kann man die unterschiedlichen Geschwindigkeiten gesunder und kranker Menschen genau beobachten. Da gibt es die mit den schnellen Schritten, Besucher*innen, die nach der Arbeit nochmal kurz vorbeikommen und Mitarbeitende des Krankenhauses, die es sichtlich eilig haben. Und es gibt die anderen, die Langsamen mit wahllosen Schritten, die absichtslos hin- und hergehen.

Fraglos ist es im Gesundheitsbereich unvermeidlich, dass Patient*innen warten. Selbst bei optimaler Organisation gibt es Notfälle und unerwartete längere Behandlungen, medizinische Arbeit lässt sich nicht auf die Minute genau ausrechnen. Aber nicht jedes stundenlange Warten lässt sich wirklich gut damit erklären, dass Leben zu retten ist und Notfälle zu behandeln sind.  

Kommt hinzu: Wenn ich fast drei Stunden auf ein Anästhesiegespräch warten musste, dann sind alle Fragen aus meinem Kopf verschwunden. Und das ist besonders absurd, denn die Arztzeit hab ich mir ja kostbar "erwartet" und auch der Arzt oder die Ärztin wollen nicht immer nur hetzen. Doch ich bin derartig genervt, dass ich einfach nur noch weg will.

Zu einem ähnlich knappen Gut im durchorganisierten schnellen Medizinbetrieb kann sich aber offensichtlich auch die Seelsorge verwandeln. Ein Palliativpatient erzählte mir von seinem Telefonat mit einem Kollegen an einer Universitätsklinik. Die evangelische Kollegin sei leider gerade im Urlaub, hörte er, aber er werde versuchen, in den nächsten Tagen vorbeizuschauen. Es könne aber auch erst nächste Woche werden, fügte er an.  

Seelsorge, die warten lässt, macht sich unglaubwürdig

Nach dieser Auskunft wollte der Patient nichts mehr von der Seelsorge.  

Natürlich haben auch Seelsorgende nicht immer Zeit, fahren in Urlaub, werden krank, sitzen in Konferenzen, schreiben Predigten und führen vielfältige andere Gespräche. Aber es sind keine Notärzte, Seelsorgende  können in der alltäglichen Arbeit zwischen extrem wichtig und weniger dringend unterscheiden.

Eine katholische Kollegin erzählte, dass Priester früher für Schwerkranke und Sterbende immer Zeit gehabt hätten. Es sei für die Gemeinde einfach selbstverständlich gewesen, dass der Priester in solchen Situationen alles liegen und stehen lässt und zu dem Menschen eilt, der im Sterben liegt.

Aus meiner Sicht ist das vorbildlich. Wer schwerkrank um ein Gespräch bittet, wartet eben nicht auf nächste Woche. Wenn Seelsorge auf sich warten lässt und sich so dem eng getakteten Medizinbetrieb anpasst, macht sie sich unglaubwürdig und damit letztlich überflüssig.

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