Intelligente Superknete im Behälter
Intelligente Superknete im Behälter
Foto: Claudius Grigat
Intelligente Superknete
Tim Wegner
16.02.2018

Meine Frau war jüngst auf Reisen. 8 Tage. Ich könnte da jetzt einiges berichten von der Zeit als Strohwitwer. Papatage… Aber das vielleicht Entscheidendste bei dieser Reise war - wie so oft - dass meine Frau ein kleines Geschenk für die Kinder dabei hatte, als sie nachhause kam. Weil Kinder ja leider so schrecklich wenig übrig haben für die üblichen Souvenirs und sich weder über bemalte Wandteller noch Hochprozentiges aus der Region wirklich ausgelassen freuen, ist so ein Mitbringsel ja immer eine kleine Herausforderung. Tipp am Rande: Am erfolgversprechendsten ist es, so ein "Mitbringsel" sorgfältig vorzuplanen und bereits im Vorfeld der Reise zu besorgen, so dass man es bei der Rückkehr stressfrei (buchstäblich) aus dem Hut zaubern kann.

Meine Frau war diesmal gut vorbereitet und zog zwei Dosen mit intelligenter Superknete, Typ Glasknete, hervor. Der Jubel war groß! Wie bitte…? Sie wissen nicht, was intelligente Superknete ist…? Dann sind Ihre Kinder wohl entweder schon zu groß oder noch zu klein. Oder nicht vorhanden. Ganz ehrlich? Ich halte mich ja gerne für einen polyglotten Menschen – aber von "Intelligenter Superknete" hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt auch noch nichts gehört (oder gelesen). Laut Hersteller ist das "Super" an der Knete, dass sie nicht austrocknet, wie ein Flummi springt, von allein zerläuft, sich dehnt wie ein Kaugummi, sich zerreißen lässt wie Papier und dass man kann sie sogar mit einem Hammer zerschmettern kann. Die transparente Glasknete sieht zudem aus wie flüssiges Glas oder wie ein Edelstein. Das "Intelligent" haben mir meine Kinder so erklärt: Im Prinzip nimmt die Knete die Eigenschaften ihrer Umwelt an: Legt man sie in die Sonne oder den moderat vorgeheizten Backofen, wird sie schön warm, wirft man sie ins Wasser, wird sie flüssig, packt man sie in den Eisschrank, wird sie kalt und knüppelhart undsoweiter.

Knete rules the world

Natürlich haben meine Kinder in der nächsten Zeit die adaptiven Fähigkeiten des Kunstsoffklumpens eingehend getestet und auf die ein oder andere harte Probe gestellt - in der Regel mit zufriedenstellendem Ausgang. Ich war derart beeindruckt, dass ich das "Super"-Präfix vor der Knete bereits als berechtigt hinzunehmen begann und mich fragte, ob diese Knete nicht der wahre Gewinner der Evolution unseres Zeitalters werden würde. Immerhin schien sie ja die Fähigkeit zu haben, sich perfekt an die jeweiligen Umweltbedingungen anzupassen. "Vergiss den ganzen Hype um künstliche Intelligenz von Maschinen. In Zukunft wird die Welt von Knete beherrscht werden", dachte ich.

Aber dann kam dieser kalte Morgen vor ein paar Tagen. Im Schlafzimmer war das Fenster geöffnet, zum Stoßlüften. Mein Sohn legte seine Handvoll Teufelszeug auf das Fensterbrett. Mit dem kühlen Wind wehte auch wie immer der kräftige Lärm der nahen Umgehungsstraße herein. Grinsend meinte er, wie nebenbei: "Mal sehen, ob die Knete jetzt laut wird." Und hatte mit einem Schlag die Welt, wie wir sie kennen, gerettet.

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