Kürbisse mit geschnitzten Gesichtern auf einem Schreibtisch
Kürbisse mit geschnitzten Gesichtern auf einem Schreibtisch
Foto: Claudius Grigat
Kürbisse
Tim Wegner
10.11.2017

Ich kann keine Kürbisse mehr sehen! Seit Ende September haben sie die Auslagen aller möglichen Geschäfte geziert, vor allem Deko-Artikel-Shops, Floristik-Geschäfte und Kaffeeverkaufsketten waren ganz vorne dabei. Aber natürlich auch zum Beispiel die Spielwarenläden, die damit für ihr Halloween-Verkleidungssortiment samt Narben-Tattoos und Bluttuben geworben haben. Am Tag des 500. Reformationsjubiläums waren sie dann überall vor den Türen, meist mit Teelichtern von innen erleuchtet, die dicken orangenen Feldfrüchte, die eigentlich ja mal Lebensmittel waren. Da für die allermeisten Kids der 31.10.2017 sowieso nur ein Halloween-Tag mit Schulfrei war, war die Fixierung der meisten Erwachsenen auf Mr. Pumpkin und seine Freunde aber ja nur folgerichtig und konsequent. Und hübsch aussehen tut es ja, wenn ihm das Licht durch die Zähne scheint, zumindest im Dunkeln.

Aber dann, eine Woche später: Klassenfest in der 1c. Während sich die Elternbeiratsvorsitzende noch für ihre Gruselschminke entschuldigt, erwarte ich mit echtem Grausen das gruppendynamische Eltern-Kind-Programm: Kürbisse schnitzen! Ich beneide unsere Nachbarn: Denen sind ihre beiden, sehr rechtzeitig gekauften Kürbisse in der Zwischenzeit im Keller verschimmelt. War zwar eine ganz schöne Sauerei – aber jetzt, so lange nach Halloween, kann man keinen Nachschub mehr kaufen (wenn man sich nicht mit einer Hokkaido-Murmel lächerlich machen will). Die kommen also drumherum!

Nachsehen mit Smartphone

Nun denn, hilft ja nix, frisch ans Werk, notfalls Kür-biss zum Morgen-Grauen, haha... Hätten Sie gewusst, dass man sogar extra Kürbis-Schnitz-Werkzeug kaufen kann? Mit Messergriffen in Form von lustigen Gespenstern und – natürlich – grinsenden Kürbissen? Irgendwann ist auch das geschafft und die Werke werden auf dem Lehrerpult aufgebaut. Und dann kommt das extra von der Klasse einstudierte Herbstlied zur Aufführung. Und einmal mehr erlebe ich das Bild, das im Smartphone-Zeitalter so alltäglich geworden ist: Ein Pulk von Mamis und Papis mit ihren in die Höhe gereckten Telefonen und Tablets, die sich vor den singenden Kindern aufstellen, was sag' ich: mit Hintern und Ellenbogen eine optimale Kameraperspektive erkämpfen und den kleinen Chor mit Blitzlicht und Regieanweisungen überschütten. Wir Wenigen, die an der Rückwand des Klassenraums stehen geblieben sind, um diesen durchaus niedlichen Anblick und den dazugehörigen Moment mit eigenen Augen zu genießen, haben leider das Nachsehen – buchstäblich! Zum Glück kann mir ja irgendjemand das Video dann später schicken, zum Nachsehen.

Später, zuhause, war es dann erstmals etwas ruhiger in den vergangenen Wochen. Die ganze Familie hat um den Tisch gesessen und gemeinsam das Erlebte beim Abendesse "verdaut". Es gab – ja wirklich: Kürbissuppe.

Ach ja, und jetzt bald, an Sankt Martin, möchte ich bitte eines dann nicht sehen: Kürbislaternen!

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