Susanne Breit-Keßler
Wimbledon war nix. Der nervenstarke Serbe Novak Djokovic hat seinen Gegner im Tennis, den Hünen Matteo Berrettini, im Grand Slam-Finale besiegt. Da blieb für die Italiener nur noch Wembley … In einem packenden Elfmeter-Drama haben sie England in die Knie gezwungen. Dabei war wieder die königliche Familie im Stadion, und der kleine Prinz griente diesmal fröhlich vor sich hin. Zunächst. Die Queen hatte einen aufmunternden Brief an die Three Lions verfasst.
Katie Goodland, Ehefrau von Stürmerstar Harry Kane, teilte ihm öffentlich mit: „… Du hast immer gesagt, dass du zur EM fährst, um ins Finale zu kommen. Du bist einfach ein wunderbarer Ehemann und Vater und die Kinder können es kaum erwarten, dich wieder zu Hause zu haben. … Wir lieben dich alle sehr, Skipper. …!“ Vielleicht hätte Harry Kane sagen sollen, er fährt zur EM, um zu gewinnen, nicht um ins Finale zu kommen. Aber wer so eine Ehefrau hat, braucht Niederlagen echt nicht zu fürchten.
Blue baby blue
Ich hatte für die Siegesfeier schon mal Ale bereitgestellt. Tee ist spätabends beunruhigend, Whisky zu heftig. Cheddar, Chester, Shortbread, Cracker und Stones - alles war bereit, um England nach 55 Jahren ohne Titel wieder mal hochleben zu lassen. Offen gestanden waren da auch Rotwein, Provolone, Taleggio, Grisbi Lemon, knusprige Bruschette und Eros Ramazotti. Nicht persönlich, nur auf CD. Ich hab‘ ja meinen Mann.
Schließlich hat auch Italien schon 53 Jahre auf einen großen internationalen Sieg gewartet. Diesmal erfolgreich. Die Squadra Azurra tanzt Tarantella, und die Presse spricht vom „azurblauen Haus“ unterm „azurblauen Himmel“ in „magischen Nächten“. Das alles auf dem „Dach Europas“. Architektonisch etwas schräg, aber je nun. Die Engländer haben den Blues. Auch blau, aber nicht so lustig. Und ich hab‘ einen schwarzen Zorn.
Trainer Southgate, der 1996 im Halbfinale der EM gegen Deutschland als Spieler den entscheidenden Elfer in Wembley verschossen hat, er musste zusehen, wie seine jungen Stars die Elfer aufgeregt verdribbelten. Saka, Rashford und Sancho haben saumäßig gepatzt und bitterlich geweint. Das alles kommt vor. Jetzt hetzt der Mob gegen sie, ein rassistischer Mob, der sich volllaufen lässt, durch London prügelt, Sicherheitskräfte in die Flucht schlägt und ohne Tickets in das Stadion bricht.
Prost Mahlzeit. Ja genau. Mein Blot, der "Heilige Rasen", endet hier jetzt wieder fürs erste - ab nächster Woche heißt es wieder "Mahlzeit" aus Küche und Keller. Bis dahin: Glückwunsch den Siegern und dem tapferen, liebeswürdigen englischen Vizemeister. Beileid zu solchen Fans.
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