Pflegenotstand
"Fragen Sie, wie die Pflegekraft hergekommen ist!"
Wer selber alte Eltern betreuen lässt, möchte sichergehen, dass es fair zugeht für die Pflegerin aus dem Ausland. Wie kann man das checken? Und hilft die Bundesregierung dabei? Ann-Christin Wedeking kümmert sich beim Kuratorium Deutsche Altershilfe um ein Gütesiegel für die Anwerbung von ausländischen Fachkräften
Eine Bewohnerin eines Pflegeheims wird von einer Pflegerin einen Gang entlanggeschoben: Unter welchen Bedingungen arbeitet die Pflegekraft der Eltern?
Unter welchen Bedingungen arbeitet die Pflegekraft der Eltern?
picture alliance/dpa/Marijan Murat
Anja Meyer
10.04.2024
3Min

chrismon: Sie betreuen das Gütesiegel "Faire Anwerbung Pflege Deutschland" im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums. Warum brauchen wir das?

Ann-Christin Wedeking: Wir haben eine sehr ernste Situation im Pflegebereich. Deutschland braucht dringend Pflegekräfte aus dem Ausland und es kann nicht sein, dass sich diese Arbeitsmigrant*innen bei unseriösen Vermittlern in ihren Heimatländern hoch verschulden, um hier arbeiten zu können.

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Ann-Kristin Wedeking

Ann-Christin Wedeking leitet die Geschäftsstelle Gütergemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften im Ausland e. V. im Kuratorium Deutsche Altershilfe.

Wir haben kürzlich über eine Togolesin berichtet, die so in einem deutschen Pflegeheim des DRK gelandet ist; dafür in der Heimat hohe Schulden gemacht hat und trotz ihrer Ausbildung als Krankenschwester musste sie hier noch mal jahrelang eine Ausbildung durchlaufen, erst im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes, dann als Schwesternhelferin und dann in der Ausbildung zur Krankenschwester. Kein Einzelfall, wie wir wissen.

Als ich das las, dachte ich, das kann doch nicht wahr sein: Ausgebildeten Leuten noch mal eine lange Ausbildung zuzumuten. Außerdem dürfen nach den Statuten des Verhaltenskodex zur internationalen Rekrutierung von Gesundheitspersonal der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gar keine Pflegekräfte aus Togo angeworben werden.

Warum?

Aus Ländern, die selbst nicht genügend Fachkräfte haben, um ihre Bevölkerung ausreichend zu versorgen, dürfen die Personen nicht aktiv angeworben werden. Wer das dennoch tut, riskiert laut der Beschäftigungsverordnung eine Ordnungswidrigkeit.

Was nützt da Ihr Gütesiegel?

Es informiert die Interessentinnen und Interessenten darüber, dass sie für die Vermittlung nichts bezahlen müssen, wenn sie in Deutschland in der Pflege arbeiten wollen – es gilt das "Employer Pays"-Prinzip, also: Der Arbeitgeber zahlt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nach jeder Reise eines deutschen Ministers ins Ausland, um dort um Fachkräfte zu werben, sofort Vermittlungsagenturen aufgemacht werden. Sie verlangen vierstellige Beträge von denen, die zu uns kommen wollen. Wir informieren darum in elf Sprachen über die Informationsbroschüre des Kuratoriums Deutsche Altershilfe und gezielt auf Social Media in den Herkunftsländern. Das Wirtschaftsministerium hat dafür "Make it in Germany" aufgebaut und wir unsere Homepage. Da können sich alle Interessenten darüber informieren, dass der Auftraggeber alle erforderlichen Maßnahmen bezahlen muss, vom Sprachkurs bis zum Visum und den Reisekosten. Sogar die Kosten für bereits geleistete Sprachkurse müssen zurückerstattet werden.

Sie war Top-Managerin, jetzt pflegt sie ihre Eltern. Was Vera Schneevoigt anderen Pflegenden rät: Lesen Sie hier weiter.

Was sind das für Auftraggeber? Schaltet da ein Pflegeheim aus Bayern Anzeigen etwa in Marokko?

Das sind meistens regionale Personalserviceagenturen in den jeweiligen Ländern, die die Anfragen aus Deutschland bekommen. Sie haben meistens gute Verbindungen zu regionalen Sprachschulen und sind gut vernetzt.

Wie viele Gütesiegel haben Sie bisher erteilt?

Uns gibt es erst seit 2022. Die Prozesse der Vermittlungsagenturen und selbst anwerbenden Einrichtungen werden durch unabhängige Prüfpersonen geprüft. Bisher haben wir 67-mal das Gütesiegel erteilt, darunter vierzehn Einrichtungen.

Von Zigtausenden in Deutschland. Was kann man tun, wenn man vor der schwierigen Aufgabe steht, einen Heim- oder Pflegeplatz zu suchen. Und eben nicht will, dass die Angehörigen von Menschen gepflegt werden, die ausgebeutet werden?

Wer sichergehen will, soll sich erkundigen: Wie kamen die Pflegekräfte hierher? Wirbt die Einrichtung mit einer Agentur an, die das Gütezeichen hat, oder hat die Einrichtung es selbst? Ein gutes Zeichen ist auch, wenn es einen Integrationsbeauftragten oder ein Konzept für betriebliches Integrationsmanagement gibt.

Und wenn man Zweifel hat, kann man bei Ihnen nachfragen? Kennen Sie die schwarzen Schafe?

Die Liste der ausgezeichneten Unternehmen finden Sie auf unserer Homepage. Wir führen keine schwarzen Listen, aber helfen gerne weiter, wenn unklar ist, ob es sich um ein ethisch vertretbares Vermittlungsangebot handelt.

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