Dürfen sich Christen scheiden lassen?
Wenn zwei heiraten, dann wollen sie ein Leben lang zusammenbleiben. Trotzdem scheitern viele Ehen. Auch bei Christen.
07.10.2010

"Bis dass der Tod euch scheidet...?" hieß eine Veranstaltung auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag vor einigen Wochen in Köln. Der Referent, ein bekannter evangelischer Theologe, gab zu: "Ich habe schon oft Paare getraut und dabei gedacht: Denen gebe ich höchstens drei Jahre!"

Denen gebe ich höchstens drei Jahre!

Leider werden heute sehr viele Ehen geschieden. Das Statistische Bundesamt meldete für das Jahr 2005 die Zahl von 388451 Eheschließungen und 201693 Ehescheidungen. Überhaupt scheitert etwa jede zweite Ehe. Nur selten geschieht eine Ehescheidung in völligem Einvernehmen. Meist bleibt mindestens ein Partner verwundet oder gar traumatisiert zurück. Jede Scheidung bedeutet Scheitern an einem großen Lebensprojekt, denn schließlich wollten ja beide Ehepartner bis zum Lebensende zusammenbleiben. Sonst hätten sie nicht geheiratet. Heutzutage "muss" niemand mehr heiraten.

In Deutschland trat 1977 an die Stelle des Schuldprinzips das sogenannte Zerrüttungsprinzip, denn eine klare Schuldzuweisung für das Scheitern einer Ehe ist oft kaum möglich. Der Staat bewertet seither Ehescheidungen nicht, sondern er beschränkt sich auf eine Rolle als Schiedsrichter, indem er Fristen setzt, Versorgungs- zahlungen festlegt und das Sorgerecht für die Kinder regelt.

Bei der Kirche ist das anders. Sie wertet sehr wohl, wobei es zwischen den Protestanten und Katholiken grundlegende Unterschiede gibt. In der römisch-katholischen Kirche zählt die Ehe zu den sieben Sakramenten. Das heißt, sie gilt zusammen mit der Taufe, der Firmung, der Eucharistie, der Beichte, der Krankensalbung und der Priesterweihe als besonders heilige Kulthandlung und von Jesus Christus selbst eingesetzt. Bis heute ist deswegen in der katholischen Kirche Ehescheidung untersagt. In ganz besonderen Fällen kann eine Ehe annulliert, für ungültig erklärt werden. Ein katholisches Ehegericht stellt dann fest, dass die Ehe nie bestanden hat.

Die Ehe, ein "weltlich Ding"

Für die Reformatoren um Martin Luther war die Ehe hingegen ein "weltlich Ding". Allerdings tat dies ihrer allgemeinen Hochschätzung auch in der evangelischen Kirche keinen Abbruch. Die Ehe galt als gute Gabe Gottes und als Mittel, ungezügelte Sexualität einzudämmen. Schließlich gibt es auch in der evangelischen Kirche Trauungen, obwohl sie streng genommen nur "Gottesdienste anlässlich einer Eheschließung" sind und nicht sakramentale Handlungen wie zum Beispiel die Taufen.

Die kirchliche Hochschätzung der Ehe stützt sich auf biblische Aussagen zur Ehe, wobei diese keinesfalls eindeutig sind. Im Markusevangelium ist ein berühmtes Wort Jesu gegen die Ehescheidung überliefert: "Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden." (10,9) Ein scheinbar klares Wort. Jesus sagt diesen Satz im Streitgespräch mit Schriftgelehrten, die argumentieren, dass es nach dem Gesetz des Moses im Alten Testament die Möglichkeit gibt, sich scheiden zu lassen. In der Tat war im alten Israel Ehescheidung relativ einfach ­ jedenfalls für die Männer. Nur sie konnten sich scheiden lassen beziehungsweise ihre Frau verstoßen. Das kam zur Zeit Jesu häufig vor. Viele Frauen gerieten dadurch in großes Elend. So betrachtet hat das Scheidungsverbot Jesu im Markusevangelium nicht das Ziel, das Institut Ehe an sich für heilig zu erklären. Es soll auch für die (Ehe-)Frau einen humanen und sozialen Anspruch gegenüber den (Ehe-)Männern einklagen.

Gottesdienste für Ehescheidungen

Für eine prinzipielle Verurteilung jeder Ehescheidung bietet dieses berühmte Wort Jesu keine Grundlage. Trotzdem ist das Scheitern einer Ehe eine große Last für alle Betroffenen. Manchmal wird zu früh aufgegeben und zu früh geschieden, weil die Menschen unrealistische Vorstellungen von einer Ehe haben und sich wundern, dass mit den Jahren der Reiz der ersten Verliebtheit nachlässt. In anderen Fällen kann eine Scheidung für beide Partner eine Erlösung bedeuten und die Chance eines Neuanfangs eröffnen. Deshalb gibt es in der evangelischen Kirche sogar Gottesdienste, die anlässlich einer Ehescheidung den Segen für beide Partner erbitten, die jetzt getrennte Wege gehen.

Christen wissen, dass Scheitern in dieser Welt unvermeidbar ist, selbst wenn man sich ganz viel Mühe gibt. Davon ist leider auch die Ehe nicht ausgenommen, denn manchmal scheidet der Tod auch schon im Leben: der Tod der Liebe.

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