Respekt ja - Angst nein
Antiseptic, wooden, mask, COVID-19
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Respekt ja - Angst nein
Die Situation in vielen Krankenhäusern ist deprimierend. Ist daran Corona schuld?
Tim Wegner
28.10.2022

Macht Corona Ihnen noch Angst? Ich habe solche und solche Tage – und zuletzt hatte ich auch häufiger wieder ein flaues Gefühl. Die Infektionszahlen? Waren wieder angestiegen. Trifft man Bekannte, hört man schnell: "Hast du schon gehört? Die Anja hat schon wieder Corona, zum zweiten Mal, als dreifach Geimpfte, mit 39 Fieber, drei Tage lang." Und vor kurzem sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: "Wir leben in einer Zeit der großen Krisen, jetzt kommt auch noch die Corona-Pandemie zurück." Da war sie wieder, die Angst.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Muss das sein? Angst sei ein schlechter Ratgeber, heißt es. Stimmt. Mich hat sie immerhin dazu motiviert, im Supermarkt wieder eine Maske zu tragen. Und das tun viele Menschen. Gut so. Die Maske hilft, Infektionen zu vermeiden. Das wird dem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern helfen. Ich habe auch keine Lust mehr auf die Maske, aber die halbe Stunde beim Einkaufen oder in Bus und Bahn? Wir werden es überleben. Und vielleicht verschwindet die Maske nie mehr, weil einige Menschen in ihnen auch ein Symbol der Rücksichtnahme sehen, wie es in Asien schon vor Corona zur kulturellen Gewohnheit geworden war.

Und dann waren da noch die Weckrufe aus den Kliniken. In München, war zu lesen, stapelten sich die Kranken auf den Fluren, Lauterbach beklagte, das Oktoberfest hätte doch lieber abgesagt werden sollen. Auch andernorts müssen Krankenhäuser oder Stationen "Land unter" melden, Operationen verschieben. Aber genau an diesem Punkt hilft uns Angst nicht mehr weiter, sondern verschleiert die Fehler der Politik. Denn: Nicht Corona ist das Problem an der Misere in den Krankenhäusern.

"Die Probleme in den Krankenhäusern bleiben - mit und ohne Corona"

Ein Blick zurück. Zum Jahreswechsel 2020/21 lagen über 5700 Menschen mit Covid-19 auf den Intensivstationen. Heute sind es etwas über 1700 Menschen - bei weit höheren Infektionszahlen als damals. Es gibt viel mehr Infizierte, aber viel weniger werden so krank, dass sie ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation müssen. Das ist eine gute Nachricht. Der Intensivmediziner Uwe Janssens, der 2020 und 2021 zu den größten Mahnern zählte, berichtete kürzlich: "Wir haben einfach zu wenig Personal." Bettensperrungen seien die Folge, weil es niemanden gibt, der sich um Menschen in den Betten kümmern könnte. Jahrelanges Versagen falle uns auf die Füße. "Dieses Problem wird sich mit und ohne Corona durch die nächsten Jahre ziehen", sagte Janssens dem Deutschlandfunk.

Heute ist Covid-19 eine Krankheit, gegen die wir uns – zum Glück – impfen können. Wenn auch nicht immer gegen eine Infektion, so aber doch gegen sehr schwere Verläufe, die das Gesundheitssystem belasten. Ich habe mich auch schon für die Grippeimpfung vormerken lassen und wünsche mir, dass das viele Menschen machen.

Ich gucke niemanden mehr schief an, der oder trotz allgemeiner Krisenstimmung feiern geht. Ja, dabei kann man sich anstecken. Aber nach fast drei Jahren Pandemie müssen die Menschen selbst einschätzen, welches Risiko sie eingehen möchten. Und die Politik muss sich endlich um das Gesundheitssystem kümmern. Die Angst vor Corona lenkt von dieser Aufgabe im Zweifel nur ab.

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