Kati Szilagyi
Beileid unerwünscht
Ursula O. aus Kumhausen fragt:
Oft wird in Traueranzeigen darum gebeten, von Beileidsbekundungen am Grab abzusehen. Das stürzt mich regelmäßig in einen Konflikt. Ich weiß nicht, ob damit tatsächlich nur der Ort des offenen Grabes gemeint ist oder die gesamte Beerdigungszeremonie. Sollten damit auch Aussegnung und Gottesdienst gemeint sein, bedeutet es, dass ein persönliches Ansprechen, eine Begrüßung ebenfalls unerwünscht sind? Und wie verhalte ich mich dann?
Stefanie Schardien antwortet:
Während viele Menschen unsicher sind, weil sie nicht um die Bedürfnisse Trauernder wissen, macht Sie gerade die klare Ansage unsicher. Neben Ihrem eigenen – durchaus auch berechtigten – Wunsch, Anteilnahme zu zeigen, höre ich die wichtige Frage: Kann eine Trauerfeier ohne Beileidsbekundung Trauernden guttun? In Trauergesprächen erzählen mir Angehörige oft von ihrer Furcht, bei der Beerdigung von Gefühlen übermannt zu werden. Darum geht der Trend zum "Weniger": Bitte kein Beileid, bloß nicht zu emotional predigen, lieber nicht singen . . .
Meine seelsorgliche Erfahrung ist eine andere: Gerade solche gemeinsamen Momente tun dem Trauerprozess gut. Berührungen, Gefühle, Tränen fühlen sich oft ganz richtig auf dem Friedhof an. Und das erleben Trauergesellschaften auch so: Fast immer gehen die Gäste darum doch irgendwann zu den Angehörigen – und für die ist es umgekehrt dann stimmig. Gehören Sie zu den ferneren Gästen, vertrauen Sie auf das soziale Miteinander solcher Feiern. Sie sehen rasch, ob, wo und wie die Trauernden mit anderen sprechen oder Tröstliches annehmen. Im Zweifel: Einen Händedruck oder ein ernst gemeintes, liebes Wort wird Ihnen kaum jemand übelnehmen. Denn manchmal tut das ständige "Weniger" nicht gut. Dann darf es auch ein bisschen mehr sein.
Neue Lesermeinung schreiben
Wir freuen uns über einen anregenden Meinungsaustausch. Wir begrüßen mutige Meinungen. Bitte stützen Sie sie mit Argumenten und belegen Sie sie nachvollziehbar. Vielen Dank! Damit der Austausch für alle ein Gewinn ist, haben wir Regeln:
Die Redaktion behält sich das Recht vor, Beiträge zu bearbeiten, macht dies aber stets kenntlich. Wir zensieren nicht, wir moderieren.
Wir prüfen alle Beiträge vor Veröffentlichung. Es besteht kein Recht auf Publikation eines Kommentars.
Lesermeinungen
Aul | vor 1 Jahr 1 Monat Permanenter Link
LÜGEN
Die Wahrheit tut weh. Lasst uns lügen, dann geht es uns besser.