Kyodo News/IMAGO
Menschen beten nahe des Ortes, an dem der ehemalige japanische Premierminister Shinzo Abe ermordet wurde
Condolences over ex-Japan PM Abe s death Photo taken July 12, 2022, shows people praying near the location of the fatal shooting on July 8 of former Japanese Prime Minister Shinzo Abe during election campaigning in Nara, western Japan. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY A14AA0001313705P
Unterwegs in der Ginza, dem Hauptgeschäftsviertel im Herzen Tokios. Wie immer am Wochenende ist die Straße für den Autoverkehr gesperrt. Fußgängerinnen laufen mit ihren Einkaufstaschen von einer Seite auf die andere. An einigen Stellen sind auf der Straße Tische aufgestellt, an denen Menschen sitzen und essen. An jedem Wochenende ein friedliches Bild in einem sicheren Land.
Bettina Roth-Tyburski
Nur einen Tag zuvor ist Shinzō Abe, der ehemalige Ministerpräsident Japans, auf offener Straße von hinten erschossen worden. Zuerst haben wir nur die Nachricht gehört, er sei zusammengebrochen. Doch dann ist schnell klar geworden, dass es ein Attentat gewesen ist. Wir haben live die Berichterstattung verfolgt. Unbegreiflich! Auch für uns, die wir gerade das Sicherheitsgefühl in Japan schätzen gelernt haben. Dass so etwas passiert, damit hat niemand gerechnet. Sonst hätte es viel strengere Vorkehrungen gegeben.
Nur kurz nach dem Ereignis haben die japanischen Medien den Namen des Attentäters veröffentlicht. Was muss das für eine öffentliche Schande für seine Familie und Angehörigen bedeuten, so denken wir. Denn zur Familie gehören ja mehr als nur die Mutter, von der berichtet wird. Und gleichzeitig haben die Medien würdevoll abgewartet, bis die Frau Shinzō Abes ins Krankenhaus gekommen ist. Erst danach wurde sein Tod offiziell bekanntgegeben. Inoffiziell ist dies durch die Formulierung, Abe sei ohne "vital signs", vielen längst klar gewesen.
So offene Emotionen wie selten
Drei Tage nach unserem Besuch in der Ginza nahm Japan Abschied. Auf dem Gelände des Zōjō-ji-Tempels in der Mitte Tokios versammelten sich zahlreiche Menschen, trugen sich in Kondolenzlisten ein, legten Blumen nieder. Der Wagen mit dem Leichnam fuhr vorbei, viele winkten und viele weinten. So offene Emotionen haben wir hier noch selten gesehen. Viele Menschen sind erschüttert.
Doch das Land steht trotz des Schocks nicht still. Der Wahlkampf für die Oberhauswahl ging schon am Tag nach dem Attentat weiter. Auf einer großen Kreuzung der Ginza entdeckten wir eine Gruppe Sicherheitsleute in schwarzen Anzügen. Der Kleinbus einer Partei fuhr vor, der Kandidat kletterte über eine Leiter auf das Fahrzeugdach. Eine große Menge Zuhörer:innen jubelte ihm zu. Es gab keine für uns erkennbaren Sicherheitsvorkehrungen. Ein friedliches Bild auch nach dem tödlichen Attentat auf Shinzō Abe.
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