Fragen an das Leben - Sasha Waltz
Fragen an das Leben - Sasha Waltz
Dirk von Nayhauß
Und dann ist der ganze Raum magisch
Das erlebt die Choreographin Sasha Waltz manchmal mit den Tänzerinnen. Und spürt dabei das Göttliche in sich selbst.
Dirk von Nayhauß
27.02.2019

In welchem Moment fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich im Flow bin, in dieser kreativen Energie, mit den Tänzern verbunden. Wenn wir eine Situation ­kreieren, in die alle eintauchen – und der ganze Raum magisch wird. Stehe ich selbst auf der Bühne, spüre ich eine Art ­Wärme oder Hitze, innen wie außen. Ein höherer Zustand, ­wunderschön. Man kann sich fallen lassen und vertraut darauf, dass alles an seinem Platz ist.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Kinder sind in ihren Gefühlen sehr deutlich, wie ein Messgerät. Vor gut zehn Jahren gab es eine Phase, in der viel Stress auf mir und meinem Mann lag. Ich selbst habe es gar nicht richtig gemerkt, aber unsere damals sehr kleine Tochter – sie hat viel geschrien. Das war wie eine ­Warnung. Unser Sohn hat anders reagiert, eher introvertiert. Habe ich ein neues Stück gemacht und das Stresslevel war hoch, wurde er kurz vor der Premiere krank.

"Der Tod kann auch ein Freund sein"

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich fühle mich keiner Religion zugehörig, sehe mich aber als spirituellen Menschen. Diese Frage ist für mich eng verbunden mit dem Sich-lebendig-Fühlen, also das Göttliche in sich selbst zu spüren und gleichzeitig wahr­zunehmen, dass wir Teil eines großen Ganzen sind. Mein Mann ist evangelisch und in einem christlichen Elternhaus ­aufgewachsen – auch unsere Kinder sind getauft. Das Grundvertrauen, das er spürt, fehlt mir, das muss ich mir immer wieder hart erarbeiten. Ich kann tief abstürzen, es gibt nicht dieses Getragene, das ich manchmal vermisse. Meine Kinder waren auch auf einer evangelischen Schule, die aber sehr frei war, eine Mischung aus offener Reli­giosität und Reformpädagogik. Die christlichen Werte, die ihnen dort vermittelt wurden, brauchen wir, um in der Gesellschaft friedlich miteinander umzugehen.

Sasha WaltzDirk von Nayhauß

Sasha Waltz

Sasha Waltz, geboren 1963, studierte in Amsterdam und 
New York Tanz, sie zählt zu den ­bedeutendsten Choreo­graphinnen 
der Gegenwart. 
Ihre ­Kreationen, darunter "Allee 
der Kosmonauten", 
"Körper" oder ­"Kreatur", ­werden weltweit ­gefeiert. Im März hat "rauschen" Premiere. Gerade ­beging ihre Tanz­kompanie "Sasha Waltz & Guests" ihr 25-jähriges Jubiläum, 2019 übernimmt Waltz, die auch ­gefragte Opern­regisseurin ist, die Co-Intendanz des Staatsballetts Berlin.

Muss man den Tod fürchten?

Nein, ich glaube, wir gehen in ein Nichts, wir werden Teil des Universums. Vor gut zwei Jahren habe ich eine sehr gute Freundin verloren. Sie ist an Krebs gestorben, sie hat sehr lange gelitten. Am Ende war es eine Erlösung. Da habe ich verstanden, dass der Tod auch ein Freund sein kann. Aber wir konnten uns voneinander verabschieden. Bei meiner Mutter war das anders, sie ist vor 18 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Zack, weg – das war so abstrakt, da kam ich nicht hinterher. Das war ein sehr großer Einschnitt in meinem Leben. Eine Woche nachdem sie gestorben ist, habe ich mit dem Stück "noBody" begonnen, eine direkte Verarbeitung ihres Todes.

"Die Mutterliebe ist vielleicht das Schönste"

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Wenn ich Liebe gebe und wenn ich Liebe bekomme – ­obwohl es einen wahrscheinlich noch glücklicher macht, zu geben. Die Mutterliebe ist vielleicht das Schönste, weil sie einen ganz freien Kern hat.

Wer oder was hilft in der Krise?

2007 hatte ich eine große Krise. Es begann in einer Probe. Plötzlich spürte ich meine rechte Seite nicht mehr, sie hat sich quasi aufgelöst, ich bin wie geschmolzen. Als ­würde mich jemand in den Abgrund ziehen. Ich dachte, ich ­sterbe. Erst hieß es, es sei ein Herzinfarkt, aber körperlich war gar nichts. Ich habe dann eine Therapie begonnen, das war der wichtigste Schritt. Ich brauchte Hilfe. Es war eine extreme Erschöpfungsdepression, manche Menschen erholen sich nicht davon. Es hätte sein können, dass ich gar nicht mehr arbeiten kann. Wie ich danach mein Leben verändert habe, war sehr wichtig für mich. Man denkt vielleicht, dass ich gelernt hätte, auf meinen Körper zu achten, aber ich hatte mir über Jahre zu viel abverlangt. Ich merke nun, wenn er mir Warnsignale sendet. Und: Früher habe ich mich selbst um mein gesamtes Repertoire gekümmert, jetzt wird jedes Stück von einem anderen ­Repetitor betreut. Mein Schwerpunkt ist seitdem, Neues zu kreieren.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Ein Grund für meine Krise war, dass ich große Schuldgefühle gegenüber meiner Familie und meinen Tänzern hatte, nicht genug zu geben – und dabei ist nichts mehr von mir übrig geblieben. Wenn die Schuldgefühle heute hochkommen, frage ich mich: Was ist denn wirklich so schlimm? Und versuche, das in die richtigen Proportionen zu bringen.

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