Predigerin Cynthia Hale auf einem Parteitag der Demokraten
Reverend Dr. Cynthia Hale on stage on the first day of the Democratic National Convention at the Wells Fargo Center in Philadelphia, Pennsylvania, USA, 25 July 2016. The four-day convention is expected to end with Hillary Clinton formally accepting the nomination of the Democratic Party as their presidential candidate in the 2016 election.
Tannen Maury/picture alliance/dpa
Klartext predigen
Nach sechs Jahren USA kehrt Pfarrerin Cordula Schmid-Wassmuth zurück nach Deutschland. Glücklich?
16.07.2018

Was man in Deutschland Konferenz nennen würde, ist in den USA ein Festival. 
Etwa 2000 Theologen und Theologinnen treffen sich einmal im Jahr zum "Festival of Homiletics" (Festival der Predigtlehre). Dieses Jahr fand es in meiner Stadt Washington D. C. zum Thema "Predigen und Politik" statt. Dass man politisch predigen muss, war für die Referenten und Referentinnen keine Frage. Sie gehörten alle zu liberalen Mainline-Kirchen und plädierten leidenschaftlich für prophetische Kanzelreden. In Zeiten von Trump müsse man Klartext reden, 
meinen sie. Tatsächlich predigen ­Pfarrer zunehmend unpolitisch, selbst in meiner Kirche, der United Church of Christ, ziehen sich viele ins rein Spirituelle zurück.

Privat

Cordula Schmid-Wassmuth

Nach sechs Jahren in Washington 
kehrt Pfarrerin Schmid-Waßmuth im Juli nach Deutschland 
zurück. 
 wassmuths.com

Cynthia Hale, Gründerin einer ­Mega-Church bei Atlanta, forderte uns während ihres Vortrags auf, aufzustehen und dem Banknachbarn ins Gesicht zu sagen: "Ich bin ein Prophet!" Weil wir zu leise sprachen, mussten wir es wiederholen. "Seid ­leidenschaftlich und frech", ermutigte die charismatische Afroamerikanerin uns. "Das Evangelium zu verkünden ist gefährlich, war es schon immer. Aber unsere Aufgabe ist es, Hoffnung weiterzugeben." Dabei lief sie durch den Mittelgang, mal brüllte sie, mal flüsterte sie, stemmte ihre Hände in die Seite. Vor sechs Jahren noch ­hätte mich diese Art des Vortrags den Kopf schütteln lassen. Heute lasse ich mich mitreißen und bewundere die Stimmig­keit von hitziger Rede und brandheißem Inhalt.

Auch in den anderen Vorträgen und Predigten wurde viel Persönliches erzählt, gelacht, geweint und gebetet. In einem Gottesdienst lasen wir eine Selbstverpflichtung. 500 amerikanische Kolleginnen und Kollegen um mich, die sich im Brustton der Überzeugung dazu bekannten, soziale und politische Missstände in Zukunft mutig offen anzusprechen – das war ganz schön beeindruckend. An einem Abend trifft man sich immer zu ­"Bier und Chorälen" und singt miteinander. Das "Festival of Homiletics" ist mehr Kirchentag als Konferenz.

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