Rechte Christen in Bautzen

Wer denkt anders?
Annalena Schmidt an dem Ort, an dem sich alles immer wieder entzündet. Auf dem Kornmarkt in Bautzen, hier während des Wochenmarktes.

Jonas Walter

Auf dem Kornmarkt musste Annalena Schmidt vor rechten Schlägern fliehen

Das bunte Treiben lässt nichts erahnen: Annalena Schmidt an dem Ort, an dem sich alles immer wieder entzündet. Auf dem Kornmarkt in Bautzen, hier während des Wochenmarktes.

In Bautzen ist die AfD stärkste Partei. Ist jetzt Annalena Schmidt anders, die gegen rechts kämpft - oder der evangelische Pfarrer, der völkische Thesen verbreitet?

Sie trägt schlichte, schöne Ballerinas, ganz schwarz sind sie, wie gemacht für diesen Frühlingsabend, durch den sie spaziert, links erhebt sich der alte Wasserturm, schräg dahinter der Dom. Ein tolle ­Kulisse, aber Annalena Schmidt sagt: "Mist, mit diesen Schuhen auf dem Kopfsteinpflaster komm’ ich nicht weit." Turnschuhe wären besser, weil ­Annalena Schmidt, Historikerin am Sorbischen Institut, nie wissen kann, ob sie wegrennen muss in ihrer Wahlheimat Bautzen, Freistaat Sachsen.

Annalena Schmidt, 32, ist eine große Frau, die laut ­lachen kann. Sie wirkt nicht wie ein Mensch, der hineinschlittert in die Dinge. Aber genau das sagt sie über sich: "Ich bin in meinem Leben immer in alles hineingerutscht." Das Geschichtsstudium in Gießen? Eher eine Verlegenheitslösung. Heute hat sie einen Doktortitel, den sie aber nur erwähnt, wenn sie der Polizei schreibt. "Davor haben sie Respekt", sagt sie.  

Als sie fürs Vorstellungsgespräch nach Bautzen kam, hörte sie, wie zwei Männer einen Menschen mit dunkler Haut beschimpften: "Kanake!" Hier würde sie nicht bleiben, dachte sie. Und ärgerte sich, dass sie nichts erwidert hatte. Noch abends kam die Zusage, fast drei Jahre ist das her. Schmidt kann sich verbeißen in Dinge, vielleicht liegt das an ihrem Geburtstag, den sie mit Anne Frank teilt. Wenn ihr Menschen gratulieren, sagt sie: "Denkt bitte heute auch an Anne Frank!" Für ihre Doktorarbeit forschte sie zur Schoa, der Massenvernichtung der Juden durch die ­Nazis. Schmidt weiß, dass der Grat, auf dem die Zivili­sation steht, schmal ist. "Ich bin Demokratin!" Sie sagt das so ent­schlossen, als sei es nicht mehr selbstverständlich. 

Und dann passierte die Sache auf dem Kornmarkt. Ein Dreivierteljahr lebte Schmidt in der Stadt, hatte Paten­schaften für Flüchtlingsfamilien übernommen, die sie "Geflüchtete" oder "Refugees" nennt. Warum nicht Flüchtlinge? "Diese Menschen sind geflüchtet. Die Flucht ist abgeschlossen. Wenn wir sie ‚Flüchtlinge‘ nennen, stellen wir sie so dar, als würde die Flucht nie aufhören." Häufiger schon waren Geflüchtete mit Bautzenern aneinandergeraten. Am Abend des 14. September 2016 traf Annalena Schmidt zufällig eine Freundin und, wie sie sagt, Refugees, die sich auf dem Kornmarkt von Rechten bedrängt fühlten. Die Polizei tauchte auf – und verwies die Flüchtlinge des Platzes.  

"In Bautzen stört, wer nicht deutsch aussieht – aber nicht, wer rechtsextrem ist" - Annalena Schmidt

Annalena Schmidt rannte weg an jenem Abend, weil die Rechten die Gruppe angriffen, zu der sie sich gesellt hatte. Tage später entdeckte sie ein Video auf Youtube. Dort sah sie, dass sie sich hinter einer Säule versteckt hatte
– das wusste sie nicht mehr, so groß war der Schock. Seit diesem Tag twittert sie, um rechtsextreme Auswüchse in Bautzen zu dokumentieren. Einmal veröffentlichte sie das Foto eines jungen Mannes, der auf dem Weihnachtsmarkt einen Kapuzenpulli trug, auf dem Rücken war ein Wehrmachtssoldat abgebildet, dazu ein Schriftzug: "Landser – Deutsche Wut". Schmidt schrieb dazu: "Fünf Minuten auf dem Weihnachtsmarkt in #Bautzen und schon wieder keine Lust mehr... " Mit diesem Tweet, den sogar Jan Böhmermann teilte, löste sie Ermittlungen des Staatsschutzes aus, weil die Musikgruppe Landser als verfassungsfeindlich gilt. Sie bloggt auch, mit manchen Beiträgen erreicht sie 10 000 Leser. Die Medien vor Ort hätten Angst, über Rechtsextremismus zu be­richten. "In Bautzen gibt es viele Rechte, das sind Kunden, die Abos abbestellen oder Werbung stornieren." Ihren Mut hat das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" kürzlich belohnt und Annalena Schmidt zu einer "Botschafterin für Demokratie und Toleranz" ernannt. 

Aber für diesen Mut zahlt sie auch einen Preis. Vorm Discounter bekommt sie machmal zu hören: "Da kommt ja die Antifa-Schlampe!" Oder: "Oh, unsere Lieblings-Linksgrünversiffte kauft wieder ein!" Einmal, Schmidt hatte ein Eis gegessen, erhielt sie eine Nachricht auf Twitter: "Na, hat’s geschmeckt?" Es gibt Menschen, die Annalena Schmidt wissen lassen wollen: Wir wissen, wo du bist! Das Profilbild des Absenders zeigte Adolf Hitler. Andere Drohungen sind subtiler: Auf Facebook teilte jemand den Lebenslauf von Annalena Schmidt, der auf der Homepage des Sorbischen Instituts hinterlegt ist, das soll wohl heißen: Diese Nestbeschmutzerin wird mit öffentlichen Geldern bezahlt und beschädigt den Ruf unserer schönen Stadt! Aber Annalena Schmidt bleibt bei ihrer Meinung: "In Bautzen stört, wer nicht deutsch aussieht – aber nicht, wer offen rechtsextrem ist."

Warum tut sie sich das an, warum zieht sie nicht fort? Mit der Zeit geschah etwas, das Annalena Schmidt selbst wundert: Sie möchte nicht mehr weg. Sie sagt, es heiße ja immer, die Gesellschaft sei gespalten, das stimme auch. "Aber wer hier auf der Seite der anderen steht, lernt schnell die kennen, die auch anders sind. Ich habe noch nie so schnell so gute Freunde gefunden wie hier." 

Christian Tiede

Einer dieser Freunde ist Christian Tiede, Pfarrer in der Bautzener Kirchgemeinde St. Petri. Er sitzt am Küchentisch seiner Wohnung, das Sprechen fällt ihm schwer – ­Erkältung. Und auch das, was er erzählt, lässt ihn manchmal stocken. Als würde er staunen über das, was er erlebt hat, seit er 2013 nach Bautzen kam. "Was Annalena macht, ist extrem wichtig. Es gibt in Bautzen eine Offenheit ­gegenüber rechtsnationalen Einstellungen, und das spricht sie öffentlich an."

 Als ob er es selbst nich glauben könnte: Christian Tiede staunt über das, was er in Bautzen seit 2013 erlebt hatJonas Ludwig Walter

Bei der Bundestagswahl wurde die AfD in Bautzen stärkste Partei: 32,3 Prozent. Christian Tiede sagt: "Wir haben fast 5000 Gemeindeglieder. Kirchengemeinden sind ein Spiegelbild der Gesellschaft." 2015 schnellte die Zahl der Menschen, die nach Deutschland flohen, in die Höhe. Im August 2015 sagte die Bundeskanzlerin: "Wir schaffen das." Aber viele Menschen wollen "das" gar nicht schaffen. Ein Jahr zuvor waren Kirchenvorstandswahlen in ­Bautzen gewesen. Christian Tiede hatte damals gehofft, dass ein Einzelhändler aus der Stadt kandidieren würde: Veit ­Gähler war immer zur Stelle, zugewandt und hilfsbereit. Die Gemeinde änderte extra das Ortsgesetz, damit Gähler kandidieren konnte – mit Erfolg. 

 "Nächstenliebe gilt auch für die, die zu lieben eine Herausforderung ist" - Christian Tiede

"Irgendwann hat er angekündigt, möglicherweise ­weniger Zeit zu haben, weil er sich politisch einbringen wollte", erzählt Christian Tiede. "Leute aus der Ge­meinde waren auf Facebook mit ihm und seiner Frau be­freundet. Und die haben Dinge dort gelesen, die sie nicht glauben konnten." Es gibt Screenshots aus dieser Zeit, von Flüchtlingsströmen und US-Globalisierungsstrategien war in den geteilten Beiträgen die Rede, im verschwörerischen Ton. Bevor er nach Bautzen kam, lebte Tiede mit seiner ­Familie zehn Jahre in Manchester, in einer Straße, in der Menschen aus mehr als zehn Nationen wohnten. "Ich ­kenne die Probleme und Herausforderungen, die Multi­kulti mit sich bringt. Ich weiß, was für Mühen es kostet, sich zu verständigen." Der Pfarrer macht eine Pause, sagt dann: "Man kann in der Bibel alles Mögliche deuten, aber ich ­finde, es gibt eine Grenze: Nächstenliebe gilt eben nicht nur für den un­mittelbaren Nachbarn, sondern auch für die, die zu lieben eine Herausforderung ist." 

Im Kirchenvorstand habe es harte Ausei­nandersetzungen über diese Frage gegeben. Wir müssen Menschen, die fliehen, helfen, sagten die einen und packten mit an. Auf der anderen Seite stand Veit Gähler. Streit gab es, als Gähler einen Mann um eine Andacht im Dom bitten wollte, der rechte Demonstrationen besuchte. Tiede verhinderte das. ­"Daraufhin trat unser Kirchvorsteher zurück und ließ sich umgemeinden", sagt der Pfarrer. Frau Gähler ­arbeitete ­damals im Kindergarten der Kirchgemeinde St. Petri. Sie trat aus der Kirche aus. "Das wäre ein Kündigungsgrund gewesen", so Tiede. Aber sie habe selbst gekündigt. Sie arbeitet heute in einem Kindergarten des Evangelischen Schulvereins im Landkreis Bautzen.

Überhaupt, der Schulverein. Annalena Schmidt zeigt ein Foto von einer Tafel neben der Tür eines Gymna­siums. Träger: der Evangelische Schulverein. "Lehret deutsches Gut und deutsche Güte, damit Gott dieses Haus behüte. 2016." Das Foto bekam sie aus Kreisen der ­Evangelischen Landeskirche geschickt, Schmidt ver­mutet, der Absender wünscht sich, dass sie, die Bloggerin, Öffentlichkeit herstellt. 

"Eine Katastrophe", sagt Tiede. Auch seine Gemeinde ist Mitglied im Schulverein, dessen Vorstand die Tafel aufgehängt hat. Die Gemeinde könnte austreten, dafür braucht es den Beschluss des Kirchenvorstands. Eine Mehrheit scheint sicher – einerseits. Andererseits sagt Christian Tiede, dass der Vorstand des Schulvereins – Gerd Frey, Pfarrer im Ruhestand – auch eine Leistung vollbracht habe. Ein ganzes Schulzentrum, auf dem Dorf! "Diese Leistung macht es Kritikern schwer, das Thema anzugehen." 

In Bautzen unterscheiden sich die Kirchengemeinden. Die Mitglieder von St. Petri, Tiedes Gemeinde, ­leben im Stadtgebiet. Man kann von Pfarrer Tiede aus in ­wenigen Minuten zum Pfarramt St. Michael laufen. Die Michaelis­kirche dort wird von Christen besucht, die aus um­liegenden Dörfern kommen. Hier gibt es offenkundig andere ­Strömungen als in St. Petri: Im Juni 2017 hielt Schwester Hatune Dogan, eine syrisch-orthodoxe Klosterschwester, in der Michaeliskirche einen Vortrag. Hatune Dogan unterhält eine Stiftung, sie will Hilfe für Arme und Schutzlose leisten. 2010 erhielt sie das Bundes­verdienstkreuz. Auf Vorträgen referiert sie über Christenver­folgung im Nahen Osten. In der Michaeliskirche in Bautzen sagte sie: "Meiner Meinung nach sind 80 Prozent falsche Flüchtlinge hier, nicht echte Flüchtlinge." Mittlerweile ist ­Hatune ­Dogan häufig Gast auf AfD-Veran­staltungen. Ein Teil ihres ­Vortrags in Bautzen steht auf Youtube, eingestellt hat ihn ein Nutzer, der sich "Der deutsche Schäferhund" nennt. Für den Mitschnitt, in dem Besucher zu erkennen sind, entschuldigte sich die Kirchengemeinde später – nicht aber dafür, einer Referentin das Wort erteilt zu haben, die mit falschen Zahlen arbeitet. Es gibt Menschen in St. Michael, die das kritisch sehen, aber ihre Stimmen sind leise.

Michael Beyerlein

"Ich weiß, dass ich mich in meiner Landeskirche mit ­meiner Arbeit nicht gerade beliebt mache." Michael Beyer­lein, Beauftragter der evangelischen Flüchtlingsarbeit in der Oberlausitz, sitzt in seinem Büro in der Diakonie ­Bautzen und klickt sich durch Dokumente, die belegen, wie oft er im Netz beleidigt wird. "Schlagt sie alle tot!", steht unter einem Bericht über seine Flüchtlingsarbeit. Oder: "Beyerlein, die kleine dicke Nazisau." Beyerlein, aufgewachsen in Franken, war tatsächlich früher rechts­radikal, hatte Ämter bei den Republikanern inne. Eine ­Begegnung mit einem kanadischen Missionar änderte alles. Der nahm ihn Ende der Neunziger mit in eine Asyl­unterkunft. Beyerlein sah: Die, die er für Abschaum ge­halten hatte, waren auch Menschen.

"Ein Christ hat in der AfD nichts zu suchen" - Michael Beyerlein

Dass er im Internet bedroht wird, findet er traurig. "Aber man gewöhnt sich daran." Enttäuscht ist er von seiner ­Landeskirche. Michael Beyerlein druckt eine Ein­gabe aus, sie war gerichtet an die Synode der sächsischen ­Landeskirche im November 2017, Überschrift: "Umgang mit Extremismus von rechts oder links". Darin hat Beyerlein Vorfälle aufgelistet, auch aus Bautzen. Die Ausführungen von Hatune Dogan wertet er als "islamfeindlich"; offizieller Mitveranstalter ihres Vortrags seien der Evangelische Schulverein des Landkreises und stadtbekannte rechtsgerichtete Personen gewesen. Beyerlein schreibt den Synodalen: "Bedrohungen, Beschimpfungen, Sachbe­schädigungen nehmen im Kirchenbereich immer mehr zu. Hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer werden ­immer mehr rechtsextremen Angriffen ausgesetzt." Seine Bitte: Synode und Kirche mögen die Helfer beschützen.

 Michael Beyerlein vermisst die Rückendeckung der Landeskirche im Kampf gegen rechtsJonas Ludwig Walter

Die Synode verabschiedete einen Beschluss, ein "Wort der Ermutigung zu Klarheit und Offenheit", es beginnt mit der goldenen Regel: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!" Christinnen und Christen hätten sich eindeutig zu positionieren im Geiste des Evangeliums von Jesus Christus. Beyerlein hält das für schwammig. "Mir fehlt eine klare Rückendeckung für unsere Arbeit. Wenn man das Evangelium bemüht, muss man auch sagen, dass Rechtsextreme in unserer Kirche nichts verloren haben." Für Beyerlein bedeutet das auch: "Ein Christ hat in der AfD nichts zu suchen. Aber Leitende Geistliche haben mich darauf hingewiesen, dass auch AfD-Wähler in die Kirche gehen. Sie sagen: ‚Das sind auch Geschwister‘", erzählt Beyerlein. Er versteht die Worte als Mahnung: "Wir sollen doch bitte die AfD nicht verprellen."

Gerd Frey

Gerd Frey ist Pfarrer im Ruhestand, aber so sieht er gar nicht aus. Noch immer trägt er das Kollar, noch immer steht er an der Spitze des Evangelischen Schulvereins im Landkreis Bautzen, bis ein Nachfolger kommt. Gerd Frey hat einen festen Händedruck, eine kräftige Stimme. Er ­redet in langen Sätzen und manchmal minutenlang, ohne Pause. Seit 1979 lebt er in Gaußig, einem Dorf südwestlich von Bautzen. Schon in der DDR träumte er davon, eine evangelische Schule zu gründen. 1998 gelang es, mit drei Lehrern und zwei 5. Klassen. Heute besuchen 960 Schülerinnen und Schüler die Einrichtungen des Schulvereins; es gibt eine Mittelschule, eine Grundschule, ein berufliches Gymnasium, Hort und Kindergarten. Pfarrer Frey sagt: "Es sollte eine Schule her, in der es um die echten Grundlagen unseres Volkes geht. Diese Grundlage ist Jesus Christus." Gerd Frey redet oft vom Volk. 

Warum hat er sich entschlossen, 2016 – zur Einweihung des beruflichen Gymnasiums – ein Schild neben dem ­Eingang anzubringen, auf dem steht: "Lehret deutsches Gut und deutsche Güte, damit Gott dieses Haus behüte"?

Jemand habe für den Neubau eine große Summe ­gestiftet, von dem komme auch die Tafel, erklärt der ­Pfarrer: "Das deutsche Gut, das ist die Rückbesinnung aufs ­Chris­tentum, die Güte ist die moralische Antwort darauf. Dahinter steht das biblische Wort: ‚Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. In dem Moment, in dem sich unser Volk dieses Gutes entledigt, wird das Haus auch nicht mehr ­behütet. Dann zerfällt alles." 

Was ist, wenn Schüler nicht aus Deutschland ­stammen – fühlen die sich nicht ausgeschlossen? 

Pfarrer Frey redet lauter, sagt: "Sie merken, da kommt der Ärger! Von den Leuten, die Ihnen das mit der Tafel gesagt haben, war keiner hier. Ich habe Gesprächsangebote gemacht, sie werden nicht angenommen. Das ist diese Blockwartmentalität in Deutschland, dass man hofft, jemanden bei politisch abweichender Meinung zu erwischen! Aber wenn ein ­Migrant dieses Schild liest, ist es ihm hoffentlich deutlich, dass dieses Gut auch ihn meint. Er lebt nämlich in einem Land, wo es darum geht, dass es ein Gut gibt, das ihn schützt." Dieses schützende Gut ist für Frey die Rückbesinnung aufs Christentum. 

 Gut? Oder höchst problematisch. Die Plakette am evangelischen Gymnasium in Gaußig bei Bautzen ist umstritten. Redet gerne vom Volk: Pfarrer Gerd Frey in der evangelischen Kirche in GaußigJonas Ludwig Walter

Am Christentum ist auch Freys Kollege Tiede gelegen Und doch trennen beide Theologen Welten. Pfarrer Tiede findet, Nächstenliebe gelte für alle Menschen, nicht nur für die aus demselben Land. Was sagt Herr Frey dazu?

"Menschen gliedern sich in Völker. Völker sind Lieblingsgedanken Gottes" - Gerd Frey

"Die apostolische Sendung geht nicht an eine Menschheit, an eine Masse Mensch, sondern die Menschen ­gliedern sich in Völker: ‚Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.‘ Völker sind Lieblingsgedanken Gottes." Rassismus, so lässt er erkennen, entstehe erst, wenn eine "Vergiftung" unter den Völkern stattfinde. ­Etwa eine Stunde beantwortet der Pfarrer Fragen, immer ­wieder kehrt er zu seinem Kerngedanken zurück, dass die beste Ordnung, in der Menschen leben können, ­Völker seien. Und immer wieder wird klar, dass diese Völker nach Ansicht des Gottesmannes besser unter sich bleiben. Frey arbeitet mit einem Sprachbild: Man habe ein Haus, das schließe man ab. Kein Haus sei so groß, dass man alle aufnehmen könne. Man würde helfen, ja, und zum Beispiel spenden. Aber man würde doch nichts tun, was die eigene Zukunft oder die der Familie bedrohe. Die Politik wage es, "eine Disposition über das Heimatland der ­Deutschen durchzuführen und Einwanderung zuzulassen, mit Rechtsbrüchen, darüber muss gesprochen werden". Frey deutet also an, die Bundesregierung habe das Recht ge­brochen. Politiker stehen bei ihm unter Ideologieverdacht. Er kenne das aus DDR-Zeiten. "Der Sozialismus hat auch mit Liebe argumentiert; es sei ein Gebot der Liebe, dass alles gleich wird. Aus dieser Gleichmacherei sind mit die größten Massengräber entstanden, die je in der Welt angelegt worden sind. Hier wird Liebe losgelöst von Jesus Christus, der volksbejahend ist, sie wird zu einem politischen Instrument einer ganz bestimmten politischen Handlungsweise, die Nation negiert." 

Es ist nicht leicht, sich einen Reim darauf zu machen, was Gerd Frey erzählt: Leben wir unter einer Regierung, die die von Gott gewollte Ordnung gefährdet, nach der Menschen nach Völkern sortiert leben sollten? Es fällt schwer, das nicht "völkisch" zu nennen. 

Nils Husmann

Nils Husmann, 42, fragte sich vor der ­Reise: Ist das eine Geschichte, die so nur in ­Sachsen passieren kann? Seine Antwort: leider nein. Der Riss ist überall, aber ­vielleicht ist er in Sachsen ­besonders groß.
Lena Uphoffchrismon Redakteur Nils Husmann, September 2017

Jonas Ludwig Walter

Jonas Ludwig Walter, 33, ­­ war überrascht, von einem Pfarrer Worte zu hören, die die ­Nächstenliebe einschränken.
Privat

Die Kirche, der Schulverein, wie passt das eigentlich zusammen? Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz ist in der sächsischen Landeskirche zuständig für Bildungsfragen. Er erklärt, die Einrichtungen in Gaußig seien von der Landeskirche als evangelische Schulen anerkannt, der Schulverein sei aber "grundsätzlich rechtlich eigenständig und autark", eine "dauerhafte Finanzierung" aus Mitteln der Landeskirche erfolge nicht. "Vereinzelt" habe der Verein Anträge bei der Schulstiftung der Landeskirche gestellt. Mit Gerd Frey habe es "in den zurückliegenden Wochen mehrfach Gespräche gegeben". Die Schrifttafel? "Höchst problematisch." Evangelisches Bildungsverständnis lasse sich genauso wenig nationalisieren wie das Evangelium selbst. "In einem evangelischen Gymnasium kann und soll der wieder neu schillernde Heimatbegriff zugänglich gemacht werden – im Diskurs, prüfend, theologisch re­flektiert", so Burkart Pilz. 

Katrin und Veit Gähler

Katrin und Veit Gähler haben nicht viel Zeit an diesem Abend. Sie sind nach Dresden gereist, um einen Vortrag des emeritierten Leipziger Geografieprofessors Werner Kirstein zu hören, der bezweifelt, dass der Mensch Verursacher des Klimawandels ist. Veit Gähler ist der frühere Kirchvorsteher der Bautzener St.-Petri-Gemeinde. Und ­Katrin Gähler ist seine Frau, die in einem Kindergarten des Evangelischen Schulvereins arbeitet. Als Treffpunkt hat das Ehepaar ein Eiscafé am Hauptbahnhof vorgeschlagen, um dort über den Riss in der der Gesellschaft zu sprechen, der auch durch die Kirchengemeinde gehe. "Bin ich überhaupt befugt, darüber zu sprechen?", fragt Veit Gähler, "das ist doch Sache des Kirchenvorstands." Dann reden sie doch. "Tiede und wir waren gut bekannt, man kann sagen: befreundet." Aber dann habe ein "Tribunal" im Kirchenvorstand stattgefunden, darüber, "wie ich denn dazu käme, politisch aktiv zu sein. Das hat uns mehrere schlaflose Nächte gekostet." Katrin Gähler ergänzt: "Vielleicht auch Jahre." 

Ein Tribunal?

Das Paar berichtet von Demonstrationen, die sie ab Herbst 2015 unter dem Titel "Wir sind Deutschland – Bautzen" organisierten. "Dass es Flüchtlinge gibt, ist okay, aber wir wollten Hintergründe liefern. Uns wurde gesagt, dass so etwas nicht geht", sagt Veit Gähler. Seine Frau erzählt, am meisten habe sie gestört, dass man über sie und nicht mit ihnen gesprochen habe. Sie hätten sich gefühlt, als seien sie in einen gläsernen Fahrstuhl gestiegen: Man sehe die, mit denen man zusammengearbeitet habe. Die Tür schließe sich, man fahre nach unten. "Aber wir haben neue Menschen kennengelernt, liebe Menschen, Gleich­gesinnte. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt."

 "Wir haben liebe ­Menschen kennengelernt. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt" - Katrin Gähler

Alles habe angefangen mit den "Pegida"-Demonstra­tionen in Dresden. Das sei gar nicht so ihre Welt gewesen, nach all dem, was so an Berichten in der Zeitung stand. Aber eines Tages habe er, Veit Gähler, eine ungeschnittene Fassung der Reden im Internet gesehen, die an einem Abend bei "Pegida" gehalten worden waren. Er findet, "Pegida" sei von den Medien der Nazistempel aufgedrückt worden. Gähler hat sich viele Details aus dieser Zeit gemerkt, die ihn aufgeregt haben: der Bundestagsbeschluss zu Syrien im Dezember 2015, sogar das "Wort zum Sonntag" im Fernsehen am 5. Dezember. All das habe ihn noch weiter aufgewühlt: "Da wurde in Deutschland wieder der Krieg gepredigt." Keine drei Jahre ist das her, und nie habe er von "Lügenmedien" reden wollen, "aber jetzt tue ich es". 

 Fühlen sich ausgegrenzt und glauben sich doch schon in der Mehrheit: Veit ud Katrin GählerJonas Ludwig Walter

Was meint er? 

"Russland – Syrien – Giftgas?" Es gebe keine Beweise, wer in Syrien Giftgas einsetze, aber in den Medien stehe der Schuldige doch schon fest.

Das Gespräch wird unruhiger, aus Veit Gähler bricht es heraus: "Ein Oberlandeskirchenrat hat erzählt, ich sei Reichsbürger. Ein landeskirchlicher Vertreter! Da ist eine rote Linie überschritten, da prüfe ich
eine Klage!" Mittlerweile hat Gähler strafbewehrte Unterlassungserklärungen verschickt. 

Herr Gähler, auch uns haben Leute berichtet, dass Sie zumindest eine Nähe zur Reichsbürgerbewegung haben, was erwidern Sie?

Veit Gähler: "Soll ich Ihnen meinen Ausweis zeigen?"

Katrin Gähler: "Wie soll das gehen, mein Mann ist Unternehmer und zahlt Steuern?" – Die Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht an.

Sie hält inne, sagt dann: "Ja. Wir haben mit welchen gesprochen, aber nicht ein Einziger, der diese Behauptungen aufstellt, hat das Gespräch darüber mit uns gesucht."

Uns haben Menschen Seiten im Internet gezeigt, ­wonach Sie, Frau Gähler, zu einem Stammtisch der Ver­einigung "Bundesstaat Sachsen" eingeladen hätten. Und die wird vom Landesamt für Verfassungsschutz der Reichsbürgerszene zugerechnet.

Katrin Gähler: "Das war so eine Phase. Wir sind wieder auseinandergegangen." 

Wir haben auf dem Handy eine Seite im Internet aufgerufen, FFD, Freiheit für Deutschland. Dort heißt es ­unter anderem: "Die Bundesrepublik (BRD) ist eine Firma." Sprich: kein Staat. Die Gählers werden dort als Ansprechpartner für Bautzen angegeben.

Beide blicken aufs Handy: "Wo man nicht überall im Netz steht", sagt Katrin Gähler zu ihrem Mann. 

Eine Frage haben wir noch: Haben Gählers und Pastor Tiede unterschiedliche Vorstellungen von Nächstenliebe?

Veit Gähler: "Wir sind mit Flüchtlingen befreundet. Wir haben jedes Jahr viel Geld gespendet. Das ist auch Nächstenliebe. Aber nicht: ‚Kommt alle her, wir machen euch satt.‘ Jeder Mensch hat das Recht auf seine Heimat."

Der Vortrag fängt bald an, das Ehepaar muss los. Aber Veit Gähler kommt noch einmal zurück an den Tisch vorm Eiscafé, er wirkt aufgewühlt: "Ich habe Sie heute schon an der Post gesehen, mit Herrn Beyerlein", sagt er und fragt: "Wie weit sind wir weg von dem, was in der Schrift steht?" 

Was meinen Sie genau? 

"Jesus ist auch zu den Ausgegrenzten gegangen, zu ­denen, die anders sind in der Gesellschaft." Noch einmal hält er kurz inne und sagt: "Obwohl: anders? Dass wir in Sachsen noch die sind, die anders denken, glaube ich nicht."

Katrin Gähler bedankt sich noch für den Saft, und bald ist das Ehepaar nicht mehr zu sehen, zwischen all den Menschen auf der Prager Straße.

 

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Lesermeinungen

• Warum doch Flüchtling?

+ Weil jeder das Wort richtig versteht, weil Flüchtling üblicherweise Geflüchteter bedeutet. Wenn Unterscheidung nötig ist, kann man ja zur Not „Flüchtender“ sagen, obwohl auch der Kontext Auskunft gibt, was gemeint ist.
+ Weil ein Schmetterling auch dann einer ist, wenn er gerade nicht fliegt.
+ Weil ein Raufbold auch so genannt wird, wenn er gerade nicht rauft.
+ Weil ein Handwerker auch so genannt wird, wenn er gerade nicht handwerkt.

• Warum „Studierende“ statt „Studenten“, obwohl es falsch ist?
Student ist man, wenn man als Student eingeschrieben ist. Ein Studierender oder eine Studierende ist man in den Zeitabschnitten, wenn man die Handlung des Studierens aktiv vollzieht.

• Warum Kolleg*innen, obwohl damit Männer diskriminiert werden?
„Kolleg“ ist nicht der Plural von Kollege. Die weibliche Endung steht nur für Frauen. Eine eigens abgesetze Endung für den Mann fehlt. Etwa Kolleg*inn*en, KollegInnEn, Kolleg_inn_en, Kolleg(inn)en? Welche weiteren, genderkorrekten Krämpfe gibt es noch? Jeweils eine Endung für die anderen 60 Geschlechter fehlt übrigens auch.

Der Lesefluss leidet an den Genderformaten, wie auf einer Straße mit Schlaglöchern, sie lenken die Aufmerksamkeit auf eine Unterscheidung, die für den eigentlich zu vermittelnden Inhalt in den meisten Fällen ohne jede Bedeutung ist, womit auf der anderen Seite die Aufmerksamkeit für das Wesentliche reduziert wird. Die Genderarchitekten haben vergessen, wofür Sprache und Schrift erfunden wurden: Für eine effiziente Kommunikation, nicht ihre Störung, Ablenkungen oder ständig begleitende, sozialideologische Indoktrinationen, an Stellen, wo es gar nicht darauf ankommt.

Warum kann man nicht den für diesen Zeck gängigen, zufällig männlichen Plural als Plural für alle Geschlechter verstehen? Die normale Grammtik schreibt nicht vor, dass ein gemeinamer Plural etwas gänzlich Neues sein muss. Der Pural von Fenster ist ebenfalls Fenster, der Plural von Schalter ist Schalter. Aus dem Kontext ergibt sich, was gemeint ist. So kann man es bei Personengruppen auch machen. Intelligente Lösungen sind einfacher und unkomplizierter.

Abgesehen davon werden Sternchen bei Auslassung von Buchstaben gesetzt, z.B. A**** oder A*****och. Insofern ist das Gendersternchen nochmals irritierend, wenn man sich neben anderem auch noch sicherheitshalber fragen muss, was in einem Wort ggf. ausgelassen wurde.

Warum überhaupt das Nasebohren in fremder Leute Nase wegen der Nutzung nicht-genderkonformer aber viel effizienterer Wörter, obwohl man sie spätestens im Kontext richtig verstehen kann? Alles, ja alles, was im Zuge des Genderismus sprachlich zu ändern versucht wurde, konnten wir auch vorher schon richtig verstehen. Die Sprache war noch nie formel-mathematisch durchgehend korrekt konstruiert und muss es auch nicht.

Die ewige Maßregelei, die Pflicht- und Verbotskultur, ist ein viel größeres Problem. Lernen wir endlich einmal, Menschen richtig zu verstehen, auch wenn sie die gebratenen Tauben nicht à la carte in den Mund fliegen lassen. Es braucht gar nicht viel Intelligenz, um etwas so zu verstehen, wie es der Absender meinte. Denn DAS muss man können! Darin beweist sich Sprachkompetenz -und- soziale Kompetenz!
 

Dem,was Der Bautzner so von sich gibt, möchte ich einiges entgegensetzen.
Ich finde es sehr interessant, dass Sie sich über die Ihrer Meinung durch den Artikel geschürte Intoleranzhaltung gegenüber Rechten beschweren (Opferrolle) und andererseits sich schwer tun, die Darstellung des Autors zu akzeptieren. Dass das Schild an der Schule rechte Assoziationen wecken kann, ist wohl nicht ganz abwegig, genauso wie die Argumentation des Pfarrers Frey und die Positionen von Familie Gähler augenscheinlich rechts sind.
Sie machen es sich einfach, Toleranz gegenüber Nahestehenden der Reichsbürgerszene fordern (nach dem Motto, dass es eine gesunde Mischung macht), aber dann nicht die Meinung des Autoren akzeptieren, da der Artikel Ihrer Meinung nach monochromatisch sei.
Sie fordern insgesamt Pluralismus und Toleranz für alle ein. Das Erbe unseres Landes ist aber auch das Grundgesetz, der Minimalkonsens, den jeder Mensch akzeptieren muss, der hier lebt. Meinungen, die außerhalb dieses Minimalkonsenses sind, dürfen nicht toleriert werden. Dazu gehören völkische, fremdenfeindliche und staatsbedrohende Meinungen, genauso links wie rechts.
Dies hat jeder Deutsche zu akzeptieren, Herr Frey, Familie Gähler, Sie und ich.
Dass es in Sachsen Gruppen gibt, die sich mit der Akzeptanz der grundlegenden Spielregeln und vor allem mit Toleranz schwer tun, haben die Ereignisse in letzter Zeit zu Genüge gezeigt.
Sie haben aber Recht, dass dies bei weitem nicht alle sind. Und ich finde auch, dass das ständige öffentliche Anprangern dieser Zustände die augenscheinliche Spaltung der Gesellschaft eher beschleunigt. Trotzdem dürfen verfassungsfeindliche Meinungen und Gewaltexzesse nicht toleriert werden
Klar lassen sich Familie Gähler und Herr Frey und Sie auch nicht den Mund verbieten, wir aber auch nicht. Auch wenn Sie meinen, dass Sie uns durch Ihre "Lügenpresse-Mentalität" ("alles ist nicht gründlich recherchiert, einseitig dargestellt") zu Fall bringen könnten. Es ist immer das Ultimativargument, die Recherche des Artikels anzuzweifeln, bevor man mit einer Diskussion über die Inhalte anfängt. Letztlich argumentieren Sie nämlich kaum inhaltlich, sondern erläutern bloß Ihre eigene Erfahrung mit Familie Gähler, Herrn Frey und der Situation in Sachsen. Dies widerlegt die Erfahrung des Autors keineswegs.
Wahrscheinlich lesen Sie lieber alternative Blätter, in denen Ihre Meinung drin steht, die dann Ihrer Meinung auch besser recherchiert sind. Was sind also für Sie die objektiven Medien oder Informationen?
Genauso werfen Sie den Autoren vor, mit diesem Artikel zu spalten. Machen das nicht "Alternative-Fakten-Verbreiter" wie Leugner des wissenschaftlich gut belegten Klimawandels oder Verbreiter von falschen Zahlen auch? Diese haben ihre Artikel bisweilen schlechter recherchiert als die weit verbreiteten Zeitungen.
Die Aussage, dass man sich mit gegenseitigem Respekt begegnen soll und sich nicht gegenseitig diffamieren soll, haben Sie ja schon selbst mit dem letzten Kommentar widerlegt
Die Konsequenz aus dieser Aussage wäre ja, dass die Toleranz (und Respekt) in Ihren Augen keine Grenze kennt. Damit widersprechen Sie ja Herrn Frey, der die Trennung von Völkern befürwortet, da dies ja der Gedanke Gottes sei. Dann müssten Sie ja auch Menschen tolerieren, die aus anderen Völkern kommen oder die deutsche Kultur nicht achten. Das würde mich sehr freuen, da meiner Meinung nach völkische Gedanken und Intoleranz gegenüber fremden Kulturen und Menschen nicht
mit dem Konzept der Nächstenliebe, die uns Jesus lehrt, vereinbar ist.

Als Beilage der ZEIT erhielt ich die letzte Chrismon und war etwas irritiert über den Artikel über Bautzen. Aber vielleicht ist das ja auch gut so. Wir brauchen die Auseinandersetzung in der Kirche, wo mehrere politische Auffassungen aufeinandertreffen. Wir vermeiden Konflikte zu häufig, weil wir Angst haben, zu verlieren – Friede, Friede und ist doch kein Friede? Die Zeit scheint mir reif, wieder Friedensgebete zu halten. Aber es hat eben kaum noch einer Zeit dazu, das ist der Unterschied zu 1989. Es ist aber eben eine Frage, wo ich die Prioritäten setzen will. Ich erhoffe mir von einem ernsthaft gemeinten Gebet, ich erhoffe mir von Gott sehr viel.
Pfarrer Frey aus Gaußig kenne ich ein wenig, da ich unmittelbar vor der friedlichen Revolution 1 ½ Jahre in dieser Gemeinde als Gemeindepädagogin und Kantorin gearbeitet habe. Nachdem ich arbeitslos war, bekam ich mehr Arbeitslosengeld als vorher für einen mehr als 40h-Job bei der Kirche. Ich habe meine Arbeit dennoch gern getan. Geld ist nicht alles, ist lediglich ein Tauschmittel.
Ich wünsche mir sehr einen differenzierten Blick. Man muss wissen, dass Pfarrer Frey zu DDR-Zeiten das Schulgelände nicht betreten durfte. Die Religionsfeindlichkeit des Kommunismus und des real existierenden Sozialismus hatte eben etwas Fundamentalistisches. Nein, politisch waren wir durchaus unterschiedlicher Auffassung, aber wir konnten miteinander beten. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“, so finde ich das in meiner Bibel. Die evangelische Schule in Gaußig leistet gute Arbeit und das bitte ich zu unterscheiden. Wir brauchen christliche Schulen, wir brauchen wieder mehr „Herzensbildung“.
Nun, am deutschen Wesen wird die Welt leider nicht genesen, dass haben unsere Vorfahren leider nachgewiesen. Die Spuren davon (Grenzverletzungen setzen sich fort bis ins dritte und vierte Glied) bekommen wir noch immer zu spüren. Nationale Überheblichkeiten waren noch immer der Auslöser für Kriege. Ich gehe mit Pfarrer Frey mit, sofern ich ihn in dem Artikel richtig verstanden habe, dass nicht unsere Eitelkeiten und Rechthabereien sondern Christus in die Mitte gehört.
Allerdings habe ich Schwestern und Brüder in der Ökumene, in anderen Nationen genauso wie in anderen Kirchen und ich habe einen großen Freundeskreis von Menschen, die sich bemühen so zu handeln, wie Christus gehandelt hätte, ohne dass sie Christen sind, nämlich barmherzig.
Mitleid kommt von oben herab, Barmherzigkeit geht auf Augenhöhe. Mit diesen Menschen fühle ich mich eher verbunden als mit manch anderen deutschen Mitbürgern, denen Ordnung und Sicherheit über alles geht. Wer viel hat, muss sich abschotten.
Wer wollen wir sein als Deutsche mitten im Herzen Europas? Das scheint mir eine wichtige Frage zu sein. Dietrich Bonhoeffer hat mit seinen letzten Briefen aus dem Gefängnis (1944/45)noch einmal soviel Wichtiges mitgeteilt. Einem Menschen, der den Tod vor Augen hatte, hört man anders zu: “Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf…Vielleicht wird hier gerade uns in der Mitte zwischen Osten und Westen eine wichtige Aufgabe zufallen.“ (Widerstand und Ergebung, Chr. Kaiser Verlag München, 1954, S. 182)
Kann es sein, dass genau diese Zeit jetzt gekommen ist?

Wenn der Preis für die hohe gestiftete Summe das Anbringen einer Tafel mit einem deutschtümelnden Text ist, sollte man das Geld nicht annehmen.
Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und nicht am Anfang des zwanzigsten.

Herrn Pfarrer Gerd Frey würde ich gern einige Fragen zu der von ihm gegründeten Schule mit der „erstaunlichen" Plakette stellen:

-    Wer ist der Jemand, der für den Neubau der evangelischen Schule eine große Summe gespendet hat und der offensichtlich auch diese Tafel wollte? Warum wird er nicht genannt? Will der Spender das nicht oder will Pfarrer Frey das nicht?

-    Warum hat Pfarrer Frey, der sagt, das deutsche Gut sei die Rückbesinnung aufs Christentum, die Güte sei die moralische Antwort darauf, eine so missverständliche Tafel für die von ihm gegründete Schule akzeptiert?
Ich denke, jemand, der an dieser Tafel vorbeigeht, kann keinesfalls darauf kommen, dass sie die Bedeutung haben könnte, die Herr Frey ihr in dem Gespräch mit den Autoren des Artikels gibt. Oder würden Sie, wenn Sie denn in Frankreich an einem großen Gebäude vorbei­ kämen und (übersetzt) lesen müssten „Lehret französisches Gut und
französische Güte, damit Gott dieses Haus behüte", denken, hier ständen sie vor einer christlichen Institution? Man muss doch wohl eher an
die Betonung nationaler Vorstellungen denken.
Und so frage ich auch: Warum will Pfarrer Frey  eine solche Plakette an seiner evangelischen Schule, die fatal Assoziationen an die Diktion des 3. Reiches weckt?
 
-    Und last but not least frage ich mich, welches Signal diese Tafel für die Schüler gibt.
Ich stelle mir vor, da beschwert sich ein Schüler wegen der Benotung einer schlechten Klassenarbeit - vielleicht sogar einer, bei der es auch ums Durchfallen geht - in der häufig der Mangel an klarer Ausdrucks­
weise kritisiert worden ist. Was antwortet der Lehrer, wenn der Schüler oder die Schülerin ihn in diesem Zusammenhang auf diese Tafel, das Motto der Schule, hinweist?

-    Und schließlich würde ich gern über diese Fragen hinaus wissen, woher Pfarrer Frey weiß, dass „Völker Lieblingsgedanken Gottes sind." Der Missionsauftrag bedeutet doch wohl zuerst einmal nur, dass die Jünger zu allen anderen Menschen von anderen Völkern gehen sollen und die Botschaft verkünden sollen. Die Erweiterung, dass das Zusammenleben
in Volksgemeinschaften das von Gott so gewollte beste sei und vielleicht sogar die Vorstellung, dass „Völker" dasselbe meint wie moderne Nationalstaaten, kann doch wohl nicht mit der Aussage „ ... und machet zu Jüngern alle Völker" begründet werden. (Außerdem möchte ich
in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass  der Staat in
dem Jesus und die Jünger lebten, ein Vielvölkerstaat war. Die Menschen, die Völker im Römischen Reich blieben keineswegs unter sich, im Gegenteil.)

Elisabeth Rehberg

Zu dem Beitrag 'Wer denkt anders?' möchte ich mich aus mehreren Gründen äußern. Ein Grund ist persönliche Betroffenheit, denn den Pfarrer Frey, der hier beschuldigt wird, rechtes Gedankengut zu verbreiten, kenne ich zwar nicht persönlich, aber aus Erzählungen meiner Verwandten im Kreis Bautzen ist er mir als aufrechter, ehrlicher Christ, der auch vor der Wende im Glauben standhaft war, bekannt. Darum hat es mich natürlich schockiert, daß er hier in die Nähe völkischen Gedankenguts gerückt wird. Ich habe daraufhin im Internet das Programm und den Newsletter des im Beitrag genannten Schulzentrums Gaußig angeschaut und keinerlei Bestätigung Ihres Vorwurfs darin gefunden.
Des weiteren habe ich - neugierig geworden - im Internet nach Hatun Dogan gesucht und die Videos ihres Vortrags und der anschließenden Diskussion am 8.6.2017 in Bautzen gefunden. Ich habe mir beides angesehen. Dort fällt tatsächlich auch die in Ihrem Beitrag erwähnte Zahl von '80 % falscher Flüchtlinge', jedoch sagt sie ausdrücklich, daß es sich dabei um ihre persönliche Meinung handelt und stellt es nicht als absolute Wahrheit hin. Darüberhinaus bleibt etwas unklar, auf welche Menschen sich die 80% genau beziehen. Insofern ist der Vorwurf, sie operiere mit falschen Zahlen, m.E. überzogen. Übrigens ist der Videobeitrag im Internet tatsächlich von 'Der deutsche Schäferhund' eingestellt worden. Natürlich klingt das sehr verdächtig. Aber die Autoren hätten besser auch recherchiert, wer das ist, nämlich eine Polit Columne des Westdeutschen Rundfunks (COSMO). Im Internet findet man auch, daß Hatun Dogan von AFD-Gruppen eingeladen wurde und dort auch vorgetragen hat. Aber daß das jetzt heißt, daß sie 'mittlerweile häufig Gast auf AFD-Veranstaltungen' sei, ist eine m.E. leichtfertige Schlußfolgerung. Man kann die Meinung von Hatun Dogan vielleicht auch z.T. distanziert sehen, aber in Ihrem Beitrag wird ihr Unrecht getan.
Insgesamt finde ich den Beitrag, wie es hoffentlich aus meiner Darstellung deutlich geworden ist, sehr oberflächlich und leichtfertig. Das entspricht so nicht echtem christlichen Geist. Das evangelische Magazin chrismon muß da eindeutig auf mehr Qualität achten.

Ich beschuldige Pfarrer Frey nicht, rechtes Gedankengut zu verbreiten. Ich habe aufgeschrieben, was er sagt und wie er argumentiert - und daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass es schwer falle, seine Äußerungen nicht völkisch zu nennen. Dazu stehe ich. Wo landen wir denn, wenn wir der Argumentation von Herrn Frey folgen, nach der Völker doch lieber unter sich bleiben sollten? Was wäre die Konsequenz? Komplette Assimilation? Oder schickt man Zugewanderte weg? Was ist, wenn sie nicht weg wollen? Wer entscheidet, was zur Assimilation gehört und wer wann zugewandert ist? Wie lassen sich diese Fragen im Einklang mit rechtsstaatlichen Garantien beantworten? Ich glaube: gar nicht.

Ich habe im Text nicht behauptet, dass am Schulzentrum in Gaußig entsprechende Inhalte gelehrt werden. Sogar Kritiker von Herrn Frey billigen ihm eine Leistung zu, das Schulzentrum gegründet zu haben. Im Jahre 2016 eine Tafel an einen Schulneubau anzubringen, wie das in Gaußig geschehen ist, erscheint dennoch diskutabel.

Ferner werfen Sie uns vor, nicht sorgfältig recherchiert zu haben. Das weise ich zurück. Meinen Informationen nach steht mitnichten der WDR hinter dem Account „Der deutsche Schäferhund“ auf Youtube. Es mag eine Namensgleichheit geben, aber wir haben allen Grund, eine Person aus Bautzen hinter diesem Konto zu vermuten. Wenn Sie sich die Liste der Videos ansehen, werden Sie schon bei oberflächlicher Betrachtungsweise erkennen, worum es dem Betreiber geht – u.a. kommt die vom Verfassungsschutz beobachtete „Identitäre Bewegung zu Wort“: https://www.youtube.com/channel/UCBS8zmAcfuk-DEAKtV40ZxA/videos

Oberflächlich und leichtfertig? Beide Seiten kamen im Beitrag zu Wort. Dem Besuch in Bautzen – wir waren mehrere Tage vor Ort – gingen monatelangen Vorrecherchen voraus. Fakten wurden hausintern in unserer Schlussredaktion und Dokumentation geprüft. Unsere Arbeit war und ist mitnichten oberflächlich.

 

Sehr geehrter Herr Husmann, ich finde Ihren Artikel sehr beeindruckend und doch auch verstörend. Wie kann man als Christ völkisch denken? Das ist doch ein Kernmerkmal der christlichen Kirche: übernationalität. Menschen aller Nationen in christlichen Glauben vereint. Die Bibel ist voller Fluchtgeschichten. Hätte dieser völkische Pfarrer Jesus ausgewiesen, als die Familie vor Herodes fliehen musste wie syrische Flüchtlinge heute vor Assad und dem IS?
Diese gelebte Nächstenliebe - auch wenn es schwer fällt und mühselig ist - ist christliche Nachfolge.

Sehr geehrter Herr Husmann, legen Sie bitte weiter die Finger in die Wunden. Auf das sich auch die Landeskirchen klar gegen Völkisches Denken wendet. Danke!

Man möchte den Menschen in Bautzen und anderswo zurufen: Kümmert euch um euer Leben und macht etwas daraus, das Beste, was eben möglich ist. Dann ist es unwichtig, wer sonst noch da ist.

Dass Christen respektive Menschen, die sich dafür halten, nicht immun sind gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, ist keine Überraschung. Auch nicht, dass rechtsradikales Gedankengut auch in kirchlichen Kreisen auf so fruchtbaren Boden fällt wie in Sachsen. Dass allerdings die zuständige evangelische Landeskirche dagegen so wenig unternimmt, ist ein Skandal. Manchmal reicht das Beten und Predigen eben nicht. Manchmal sollten in der Kirche diejenigen, die Macht ausüben können, wirklich aktiv werden.

Uwe Tünnermann

... fällt es einem wirklich schwer Nächstenliebe für Rechte auf zu bringen! Gut recherchiert und geschrieben! Wichtig, dass es gerade dort auch immer noch vernünftige Menschen gibt, die sich gegen dieses nationalglorifizierende und menschenablehnende Gedankengut stellen und es immer wieder vollbringen Liebe zu predigen!

Dieser Artikel ist ein echter Augenöffner… Er zeigt stellvertretend für viele ähnliche Texte gegenwärtiger Pressearbeit, wie man mit wenigen rhetorischen Pinselstrichen einen „rechten“ Popanz aufbauen kann, der vor kritischem Nachdenken über unsere gesellschaftliche Situation schützen soll.

Ich kenne Herrn Pfarrer Frey und Familie Gähler schon viele Jahre persönlich. Es sind Menschen, die sich den Mund nicht verbieten lassen. Menschen, die ihre Umwelt kritisch hinterfragen, fest im christlichen Glauben stehen und ein großes gesellschaftliches Engagement zeigen. Es sind Menschen, die sich für andere einsetzen, die sich ihren Glauben etwas kosten lassen. Man muss nicht in allen Punkten ihrer Meinung sein, aber es lohnt, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Letzteres sollte Aufgabe eines guten journalistischen Textes sein. Diesem Anspruch wird der vorliegende Artikel nicht gerecht.

Zwei Punkte möchte ich anmerken:
1. In einem Land, in dem eine Ministerin für Migration und Flüchtlinge dem Staatsvolk das Vorhandensein einer eigenen Kultur abspricht (Aydan Özoguz: „[…] eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ siehe hier: https://causa.tagesspiegel.de/gesellschaft/wie-nuetzlich-ist-eine-leitku...), ist das Anbringen einer Tafel, die an das große Erbe und die reiche Tradition unseres Volkes erinnert, eine sinnvolle und gute Maßnahme, um dem pathologischen Selbsthass vieler Deutschen etwas entgegenzusetzen.

2. Der Artikel zeichnet ein Zerrbild der Wirklichkeit über Bautzen und sein Umland. Seit Jahrhunderten wird gerade hier die multikulturelle Idee erfolgreich gelebt. Zwischen Deutschen und Sorben gibt es ein enges Miteinander, sogar die Ortsschilder sind zweisprachig. Wie kommt man also dazu, diese Menschen als rechtsradikal einzustufen? Wer genau ist mit dieser Diffamierung eigentlich gemeint? Sorben? Deutsche? Beide?
Wer sich ein Bild von der Lage vor Ort machen möchte, möge vorbei kommen oder wenigstens die örtliche Presse zur Kenntnis nehmen. Speziell für die im Artikel angedeuteten nazi-artigen Gewaltexzesse findet man so vielleicht auch ein paar differenzierte Informationen. Siehe z.B. hier:
http://www.bautzenerbote.de/es-war-nur-eine-hetzjagd-nach-nachrichten/

Solche Artikel wie der vorliegende treiben die Spaltung der Gesellschaft voran. Wann wird endlich begriffen, dass wir das Konservative, Bewahrende, Nationale (also Rechte) genauso für eine gesunde Gesellschaft benötigen, wie das Progressive, Verändernde, Internationale (also Linke). Die gesunde Mischung macht es. Gemeinsam diesen Weg des Ausgleichs zu finden, und ihn im gegenseitigen Respekt zu gehen hat Zukunft. Sich gegenseitig zu diffamieren, führt in eine Sackgasse. Solche Artikel sind leider Wegweiser in letztere.

PS: Ich bin gespannt, ob dieser Kommentar freigeschaltet wird...

Als Autor des Textes gestatten Sie mir bitte folgende Anmerkungen:

Erstens: Es ist schon vielsagend, dass Sie gespannt sind, ob Ihre Zuschrift veröffentlicht wird. Ja, wurde sie. Es gehört ja mittlerweile zum „guten Ton“, sich zum Opfer einer angeblichen Zensur zu machen und zu lamentieren, dass man ja bestimmte Dinge nicht laut sagen dürfe. Darf man! Nur gibt es dann auch eine Antwort.

Zweitens: Sowohl Pfarrer Frey als auch Familie Gähler haben einem Treffen zugestimmt, ihre Sicht der Dinge habe ich dargestellt. Das ist die journalistische Aufgabe: beide Seiten hören. „Monochromatisch“ ist das nicht. Wenn Sie das als Beleg dafür nehmen möchten, dass „Pressearbeit“ (übrigens: was für ein Wort, der Kollege Walter und ich betrieben eine journalistische Recherchearbeit, die sich über Monate erstreckte; Pressearbeit klingt mir da bewusst abschätzig) die Gesellschaft spalte, sei das Ihnen überlassen. Ich finde: Wir dokumentieren eine Spaltung, aber wir schaffen sie doch nicht.

Drittens: Dass Sie ausgerechnet das Zusammenleben mit den Sorben als Beleg dafür nehmen, dass doch alles in Ordnung sei in und um Bautzen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Ich habe im Zuge der Recherche häufiger Kenntnis erhalten von Übergriffen auf sorbisch sprechende Jugendliche auf Abendveranstaltungen. Vgl. dazu auch den Band „Unter Sachsen“.

Viertens empfehle ich Ihnen zwecks Definition von „Konservativ“ und „Rechts“ die Arbeit von Liane Bednarz, stellvertretend:
https://chrismon.evangelisch.de/bednarz#comments-list

Sehr erhellend ist auch der Kommentar von „Scholz“ über Pfarrer Frey.

"Als Autor des Textes gestatten Sie mir bitte folgende Anmerkungen"

Gern ;-)

"Es ist schon vielsagend, dass Sie gespannt sind, ob Ihre Zuschrift veröffentlicht wird"

"Vielsagend" soll hier bitte was heißen? Dass es weit hergeholt sei, von Zensurmaßnahmen auszugehen? Dass Menschen, deren Kommentar-Texte gelöscht werden, ungehört bleiben sollten? Dass von Ihnen Zensurmaßnahmen bestritten werden und Menschen, die anderes erlebt haben, in ihren Augen Spinner sind? ...
Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass massive Zensurmaßnahmen bei bestimmten Themen stattfinden. Genauso wie ich Ihnen sagen darf, dass das Löschen von Kommentaren keineswegs nur der Unterbindung von "Hassreden" oder der Einhaltung der "Netiquette" gilt, sondern offensichtlich politisch (besser: ideologisch) motiviert ist. Allein die zahllosen Rechtsstreits im Zusammenhang willkürlicher Löschung bei Facebook belegen das. Ob "Chrismon" Kommentare löscht, weiß ich nicht. Meine beiden ersten Texte wurden zugelassen. Danke dafür. Meine diesbezüglichen Sorgen sind dennoch nicht unbegründet und spiegeln keineswegs eine Art "Opfer"mentalität wider, wie Sie es in Ihren Zeilen unterstellen.

"Sowohl Pfarrer Frey als auch Familie Gähler haben einem Treffen zugestimmt, ihre Sicht der Dinge habe ich dargestellt."

Sie lassen die erwähnten Personen zu Wort kommen, das ist richtig. Das ist mir auch positiv aufgefallen. Dennoch kann von einem sauber recherchierten und neutralen Artikel nicht die Rede sein, denn von Anfang an, wird dem Leser mal mehr mal weniger unterschwellig suggeriert, wie er die Dinge zu interpretieren hat. Ich möchte jetzt keine Textanalyse betreiben, weil ein Kommentar dafür nicht geeignet ist, aber Sie sollten Ihre Leser für nicht so naiv halten, dass sie nicht verstünden, wie man mit bestimmten rhetorischen Stilfiguren, Kontexten, negativen Konnotationen, selektiven Inhalten usw. ein Meinungsbild generiert. Übertreibt man solches, wird der Hinweis auf die gesetzten echten Zitate der Beteiligten zum Alibiverhalten des Schreibers. Sorry, aber so nehme ich Ihren Text wahr.

"[...] der Kollege Walter und ich betrieben eine journalistische Recherchearbeit"

Mag sein. Warum lassen Sie dann aber für den Zusammenhang wichtige Informationen weg? Warum beginnen Sie beispielsweise Ihren Text mit einseitigen Schuldzuweisungen zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bautzen? Wenn Sie recherchiert haben, wissen Sie, dass sich die Sachlage viel komplexer darstellt, als es Ihr Eingangstext nahelegt. Warum verschweigen Sie z.B. die jahrelange Friedensarbeit des Ehepaars Gähler und ihr Engagement zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen? Könnte es sein, dass diese Informationen einfach nicht zum Bild des bösen "Rechten" passen?

"Ich habe im Zuge der Recherche häufiger Kenntnis erhalten von Übergriffen auf sorbisch sprechende Jugendliche auf Abendveranstaltungen."

Sorry, solch ein Satz ist nicht wirklich ernst zu nehmen, bedient aber genau die Vorstellungswelt, die der gesamte Artikel erzeugen soll.

"[...] empfehle ich Ihnen zwecks Definition von „Konservativ“ und „Rechts“ die Arbeit von Liane Bednarz, [...]"

Herzlichen Dank, doch gestatten Sie mir, dass ich meinen Kopf auch selber bemühe. Egal, was Frau Brednarz zu sagen hat, ist es historisch nun einmal so, dass Rechts nicht gleichbedeutend mit rechtsradikal oder nationalsozialistisch ist, sondern für das Konservative und Bewahrende steht. Vielleicht machen Sie sich mal kundig zur Sitzverteilung der französischen und deutschen Nationalversammlung im 19. Jhd. Daraus leite ich mein Verständnis von "Rechts" und "Links" ab.

"Wir dokumentieren eine Spaltung, aber wir schaffen sie doch nicht."

Wenn Ihr Text nur der Dokumentation und der gleichberechtigten Darstellung beider Seiten gedient hätte, könnte ich dem zustimmen. "Gesinnungstexte" allerdings, die zwischen Kommentar/ Meinung einerseits und objektivem, wertfreiem Bericht andererseits nicht mehr unterscheiden, tragen aus meiner Sicht sehr wohl zur Spaltung bei.

Dass sie, die "Rechten", eine Stadt spalten, mag noch angehen. Aber wie können "Rechte" Kirchengemeinden, Gemeinschaften von Gläubigen also, spalten? Glauben die so Gesinnten anders? Irren sie womöglich im Glauben? Oder ist gemeint, für "Rechte" sei kein Platz in evangelischen Kirchengemeinden? Für alle anderen Lebens- und Weltanschauungen ("Linke", "Grüne", "Konservative", "Liberale") wohl?

Ich stimme voll inhaltlich zu. Vermutlich aber waren in diesem Meinungsartikel Rechts"extreme" gemeint. Aber das würde dann auch für Linksextreme gelten. Und für Extreme in allen Parteien oder Bevölkerungsschichten.

v.R.

Vielen Dank für das wieder sehr vielfältige und informative Heft, das ich (Atheist) immer sehr gern lese.
Ihr Bericht über die rechte Hochburg Bautzen hat mich nicht überrascht, ich bin Leipziger. Es beschämt mich immer wieder zu lesen, wie insbesondere in Sachsen der rassistisches Gedankengut immer mehr Zuspruch bekommt. Leipzig ist davon ja leider auch nicht verschont geblieben, allerdings ist hier der Widerstand gegen die rechten Umtriebe viel massiver und nachdrücklicher.
In Bautzen scheint stattdessen zunehmend ein Klima von Angst und Resignation gegenüber dem rechten Ungeist zu herrschen. Bewundernswert, dass sich trotzdem Menschen mit Zivilcourage finden, die diesem braunen „Zeitgeist“ entgegentreten. Wenn ich auf der anderen Seite aber lese, was sich dort offensichtlich in manchen kirchennahen evangelischen Kreisen abspielt, frage ich mich allerdings, wo hier die „Kirchenobrigkeit“ bleibt: Wenigsten sie könnte doch dem braunen Ungeist entgegentreten und in ihren Gemeinden Ordnung schaffen- aber es passiert offensichtlich nichts! Als Außenstehender wundert es mich allerdings nicht, denn das ist leider typisch für die evangelische Landeskirche in Sachsen.
Eins noch: ich bin stark beeindruckt von der journalistischen Arbeit! Präzise recherchiert und beharrlich nachgefragt, ist es so gelungen, den braunen Ungeist einiger dieser Biedermänner/-frauen zu entlarven. Sowas nennt man Qualitätsjournalismus. DANKE!

Ist Ihre Frage nach der Kirchenobrigkeit im Sinne einer neuen Inquisition zu verstehen? Ist es mal wieder an der Zeit, Andersdenkende auf die Streckbank zu legen und abschwören zu lassen? Stammt der neue "Hexenhammer" von Dr. Bernstein?

Und noch eine Frage am Schluss: Wann waren Sie das letzte Mal in Bautzen?

Viele Grüße aus dem braunen Ödland
Der Bautzner

Dass die Rechten überall zunehmen ist Ausdruck mangelnder historischer, politischer, sozialer und psychischer Bildung, ein Mangel, der auch durch die ökonomistische Okkupation des Bildungsbegriffs hervorgerufen wird. An den Schulen werden persönlichkeitsbildende Inhalte zugunsten ökonomischer Inhalte zurückgedrängt, Menschen werden zu Fachkräften und Kostenfaktoren degradiert und in einen erbarmungslosen Kampf jeder gegen jeden losgelassen. Wie soll sich in einem solchen Klima „Solidarität“ entwickeln?