Tabuthema Figur Diakonie
Tabuthema Figur Diakonie
Barbara-Maria Damrau/photocase
"Machen Sie aus der Figur kein Tabuthema!"
Menschen aus der Diakonie helfen weiter. Diesmal: der Arzt für extrem übergewichtige Jugendliche.
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
28.05.2018

Meine Patentochter, wiegt sehr viel. Besucht sie mich, koche ich fettarm, und statt Torte gibt es Obst. Ist doch richtig, oder?

Wolfgang Siegfried: Naja, das ist ein versteckter erhobener Zeigefinger. Das Mädchen wird den Grund für die schmale Kost ahnen, im schlimmsten Fall kommt sie nicht mehr gern, nach dem Motto: Bei der Tante gibt es nie was Gescheites zu essen, und sie ist auch nicht ehrlich mit mir. Besser ist eine gewisse Offenheit.

Soll ich wirklich sagen: Du bist zu dick, du musst was tun?

Maria Irl

Wolfgang Siegfried

Wolfgang Siegfried ist medizinischer Leiter des Adipositas-Zentrums Insula in Bischofswiesen und Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Juvenile Adipositas.

Lieber nicht. Jugendliche sind sehr empfindlich und verschließen sich schnell. Sprechen Sie besser von sich: Ich würde gerne ein paar Kilo abnehmen. Bist du einverstanden, wenn ich auch für uns beide etwas weniger üppig koche als sonst?

Das durchschaut sie doch auch sofort!

Vielleicht, aber Sie zeigen ihr damit: Gewichtsprobleme sind hier kein Tabuthema. Wir können drüber reden und das auch zusammen angehen. Möglicherweise antwortet das Mädchen: Oh ja, ich versuche das ja auch schon ewig.

Aber sie soll gesund bleiben. Sie ist ja noch im Wachstum.

Sport ist der Knackpunkt. Mit Bewegung werden Muskeln aufgebaut und Kalorien verbrannt. Um dafür Kraft zu haben, sollen die Jugendlichen tagsüber genug zu sich nehmen. Gut für Sie beide: morgens und mittags normal essen. Nachmittags eine Stunde schwimmen oder Federball im Park. Um 18 Uhr Abendbrot ohne Kohlenhydrate, also kein Brot, Kartoffeln, Nudeln. Tipp: Früh schlafen gehen, bevor der Hunger wiederkommt.

Wenn sie aber antwortet: Jetzt fängst du auch noch damit an!

Dann ist es ein deutliches Signal. Sie braucht eine Pause. Einen Ort, an dem ihr Körpergewicht keine Rolle spielt – zum Beispiel bei Ihnen. Denn zu Hause tüfteln die Eltern neue Diätpläne aus. In der Schule lästern die anderen. Beim Shoppen bringen die Freundinnen kaschierende Kleidung an.

Im Internet sieht keiner den Körper, ist das eine Chance?

Ja, und ein Problem. Extrem übergewichtige Jugendliche, wie wir sie in unserer Klinik behandeln, sitzen fast nur vor dem Computer. Und bewegen sich noch weniger. Sie müssen lernen, dass sie im echten Leben glücklich sein können und Anerkennung erfahren – egal mit welcher Figur.

Infobox

Im Rehazentrum Insula, einer Einrichtung der Diakonie Bayern, verbringen adipöse Jugendliche zur Therapie mehrere Monate. Mitbehandelt werden auch Mediensucht und Schulvermeidung.

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