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Viele Ägypter verstehen die deutsche Politik zurzeit nicht
23.04.2014

Ich bin auf einer Konferenz der Nilsynode, der koptisch-evangelischen Kirche Ägyptens. Es geht um den christlich-islamischen Dialog. Ich soll ein Grußwort sprechen und von dem kooperativen Religionsunterricht berichten, den ich gemeinsam mit einem muslimischen Lehrer an der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo halte. Ich beginne mit den Worten: „Ich halte meine Rede auf Englisch, denn ich habe den Eindruck, Deutsch wird in Ägypten gerade nicht gut verstanden!“ Viele der Zuhörer lächeln und nicken. Sie wissen, worauf ich anspiele.

Die Ägypter verstehen nicht, warum wir uns nicht vorbehaltlos mit ihnen über al-Sisi und die Absetzung der Muslimbrüder freuen. Abdel Fattah al-Sisi ist der Militärchef, der vermutlich demnächst als Präsident kandidieren wird und als aussichtsreichster Bewerber gilt. Er führte ­den Putsch an, der Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 entmachtet hat. Die deutsche Bundesregierung hatte den Sturz als schweren Rückschlag für die Demo­kratie kritisiert. „Dr. Kohl war gut, Frau Merkel nicht,“ sagte mir neulich ein Taxifahrer. „Ihr mögt das Militär nicht.“ Aber gegen mich persönlich habe er nichts!

Seit Mursis Sturz gibt es schon die ­zweite Übergangsregierung. Der Termin für die Präsidentschaftswahl steht noch nicht fest. Alle spüren: Es wird Zeit für Ägypten, die Uhr tickt. Jetzt muss bald etwas geschehen. Noch länger verträgt dieses Land keine Interimszeit. Die Krimi­nalitätsrate  in Kairo steigt – wenn sie auch noch lange nicht so hoch ist wie in Berlin oder Hamburg. Der Anstieg ist nur einer der Indikatoren dafür, wie mies es den Menschen geht. In der Regel habe ich hier das Gefühl wie in Deutschland höchstens auf dem Lande: „Lass deine Tür ruhig offen, hier kommt nichts weg.“ Die Menschen hier sind bewundernswert. Und sie haben das Potenzial, in Frieden zusammenzuleben. Doch ob man sie lässt, das ist die Frage.

Ich sehe im Konferenzsaal viele Vertreter der Al-Azhar-Universität, der führenden islamischen Lehranstalt in der arabischen Welt. Ich blicke in offene Gesichter, sie hören mir genau zu. Ich glaube, mit diesen Männern lassen sich interessante Gespräche führen.

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