Schleppende Hilfen für geschädigte Heimkindern der Nachkriegszeit

Ausgleich für Misshandlungen
Den geschädigten Heimkindern der Nachkriegszeit wird zu schleppend geholfen, klagen Verbandsvertreter

Sie waren viele, und doch dauerte es bis 2006, bis öffentlich wurde, wie es ihnen ergangen war: Hunderttausende Kinder und Jugendliche lebten vor 1975 in kirchlichen und staatlichen Heimen der Bundesrepublik – oft misshandelt von Erziehern, geprügelt, gedemütigt. Manche mussten unentgeltlich arbeiten, Sozialbeiträge wurden nicht gezahlt.

Nach Beratungen eines Runden Tisches setzte der Bundestag den Fonds Heimerziehung auf. Seit dem 1. Januar 2012 können Betroffene beantragen, dass daraus fehlende Rentenbeiträge ausge­glichen werden. Wer glaubhaft machen kann, dass die schlechte Behandlung im Heim gesundheitliche Schäden verursacht hat, dem gewährt das Bundesamt für ­Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Sachleistungen bis zu 10 000 Euro: medizinisches Gerät, eine Kur, eine Wohnungsrenovierung, eine Reise. Das Geld wird nicht auf Sozialleistungen angerechnet. Einen Rechtsanspruch gibt es nicht, es sind ­„freiwillige Leistungen“.

7058 „Vereinbarungen über materiellen Hilfebedarf“ wurden bis Ende ­Oktober 2013 getroffen, dazu 2998 „Vereinbarungen über Rentenersatzleistungen“. Doch Vertreter der ehemaligen Heimkinder klagen, die Zahlungen kämen nur schleppend voran. So sagt Jürgen Weisensell, Mitglied im Beirat für Rheinland-Pfalz, die Anlaufstellen seien oft nicht bekannt, und in Ländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen gebe es zu wenige. Andernorts müssten Antragsteller bis zu 18 Monate auf Antwort warten. Seit dem 1. Juli 2012 bekommen auch ehemalige Heimkinder der DDR Hilfe. Hier traf das Bundesamt bislang 4780 Vereinbarungen. Ende 2014 läuft der Fonds für den Westen aus, der für den ­Osten im Juni 2016. Wer Geld daraus haben will, muss seine Vereinbarung bis dahin geschlossen haben.

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