Eine Besucherin vor dem Bild "The Beyond" von Georgia O'Keeffe. - Foto: Norbert Miguletz
Heiter bis wolkig
Fröhlich, lebensbejahend und experimentierfreudig - oder nachdenklich, verzweifelt und ironisch: Werke aus der letzten Schaffensphase bekannter Künstler weisen eine große Vielfalt auf. Diese unterschiedlichen Facetten zeigt die Frankfurter Kunsthalle Schirn und bietet mit „Letzte Bilder. Von Manet bis Kippenberger“ einen neuartigen, teilweise unerwarteten Blick auf die Werke
chrismon
17.04.2013

Sommer 1975: Der niederländische Künstler Bas Jan Ader will den Atlantik in einem Einmann-Segelboot überqueren. In Cape Cod geht es los, Holland ist das Ziel. Doch in Europa kommt er nie an: Sein Boot fand man ein Jahr später und Bas Jan Ader bleibt verschollen. Ein Unfall? Oder Teil einer Inszenierung? Verschwindet hier der Künstler in seinem eigenen Werk? Aders Plan war, dass diese Reise den zweiten Teil seiner Trilogie „In Search of the Miraculos“ darstellen soll. Der Atlantiküberquerung vorausgegangen waren 18 Schwarz-Weiß-Fotografien mit denen Ader den Weg zur Küste im nächtlichen Los Angeles dokumentiert, eine Installation aus 80 Dias und der Tonbandaufnahme einer Chorprobe - sein letztes Projekt, seine letzten Bilder, zu sehen in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.

Neben diesen Fotografien von Bas Jan Ader (1942-1975) zeigt die Schirn fast 100 weitere Werke von 14 Künstlern. Vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Sie alle eint: Es sind Arbeiten aus ihrer letzten Schaffensphase. Einige der ausgestellten Künstler haben bis kurz vor ihrem Tod gearbeitet: Claude Monet (1840-1924) hinterließ mit den Seerosenbildern, an denen er bis ins hohe Alter arbeitete, weltberühmte Werke. Andere Spätwerke - wie das von Giorgio de Chirico (1888-1978) – blieb eher unbeachtet. Und manche der Künstler arbeiteten, obwohl sie durch Krankheit stark geschwächt waren: Alexej von Jawlensky (1864-1941) malte die „Meditationen“ gelähmt, zeitweise nur zu horizontalen und vertikalen Pinselstrichen fähig. Walker Evans hingegen entdeckte kurz vor seinem 70. Geburtstag die damals neu auf den Markt gekommende Polaroid-Kamera und zog damit los.

Gegenüber der Installation des verschollenen Bas Jan Ader hängen fünf Bilder, vollkommen schwarz. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich nicht voneinander, doch bei genauem Hinsehen kann man minimale Abstufungen erkennen: Ein Gitter, in dem, je nach Blickwinkel, die Vierecke mal subtil schwarz-blau, mal eher dunkel-grau schimmern. Reinhardt sah sich als ein Künstler, der am Ende der Epoche der abstrakten Malerei steht und er war auf der Suche nach dem ultimativ letzten Bild in der Malerei. Über seine „Black Paintings“ sagte Ad Reinhardt (1913-1967): „Ich mache einfach nur das letzte Bild, das eben irgendjemand machen kann."

Bas Jan Ader und Ad Reinhardt – der eine, durch seinen mysteriösen Tod zu einem tragischen Helden geworden, der andere ein Künstler, der den Begriff der abstrakten Malerei begreifen und zu ihrem Ende bringen möchte. In dieser Schau in einem der sieben Ausstellungsräumen zusammengebracht. Das Konzept dieser Ausstellung: Jeweils zwei Künstler treten miteinander in den Dialog - wie in diesem Raum Ader und Reinhardt, die beide auf radikale Art auf den Begriff „Letzte Bilder“ antworten. In den weiteren Räumen zeigt die Schirn Gegenüberstellungen unter Aspekten wie „Mit beschränkten Mitteln“, „Variation und Wiederholung“ oder „Neubeginn im Alter“.

Zwischen all den Herren: bloß eine Künstlerin - Georgia O'Keeffe

„Es war uns wichtig, in erster Linie berühmte Künstler auszustellen“, sagt Kuratorin Esther Schlicht, „denn es ging darum, das Besondere des jeweiligen Spätwerkes zu zeigen – bei eher unbekannten Künstlern müsste man zunächst das ganze Werk erklären.“ Darin liege auch begründet, warum lediglich eine weibliche Künstlerin – Georgia O’Keeffe – unter den 14 zu finden ist: „Leider war es schwierig, sehr bekannte Künstlerinnen dafür zu finden“, erklärt Schlicht.

O’Keeffe (1887-1986) steht in der Ausstellung als Beispiel dafür, wie ein Spätwerk unerwartete Wendungen machen kann: Fast 80-jährig entdeckte sie das Reisen für sich und damit die Erfahrung des Fliegens. Ergebnis dessen ist die großformatige, freundliche Werkgruppe „Sky above Clouds“, mit der sie die von einem Flugzeug aus zu beobachtenden Himmelsformationen abbildet: Eine weiße Wolkenschicht, über dem Horizont ein zartgrün oder gelb-blau verfärbter Himmel. Doch eines der letzten dieser Bilder sticht aus der Reihe: Mit Schwarz- und Dunkelblau-Tönen wirkt es düsterer als die vorhergehenden. Es heißt: „The Beyond“, „Das Jenseits“.

Die Arbeitsweise, Motive und Farben der letzten Bilder unterscheiden sich stark: Während O'Keeffe hauptsächlich mit hellen, freundlichen Farben die scheinbare Unendlichkeit abbildet, dominiert bei Reinhardt die Farbe Schwarz. „Wie ein Besessener“, schrieb Jawlensky an einen Freund, malte er die ikonenhaften „Meditationen“. Innerhalb von drei Jahren entstanden rund tausend dieser geometrischen Gesichter, in den sich deutlich ein Kreuz entdecken lässt. Und Edouard Manet, geschwächt durch eine nicht erkannte Syphilis, dokumentierte die Blumensträuße, die ihm Freunde an sein Krankenbett brachten – kleinformatige, detailgetreue Stillleben.

„Diese Ausstellung sollte keine zum Thema ‚Tod und Sterben’ werden“, betont Schlicht. Manche der ausgestellten Arbeiten wirken zwar bedrückend, andere hingegen aber heiter, hoffnungsvoll. Auch eine Art abgeklärte Gelassenheit, bewusste Inszenierung der Bilder als letzte Werke wie bei Ad Reinhardt oder eine spielerische Sicht auf das eigene Schaffen ist zu erkennen. Deutlich wird bei diesen 14 ausgestellten Künstlern: das typische Spät- oder Alterswerk scheint es nicht zu geben. Vielmehr zeigt die Schau die verschiedenen Facetten der letzten Schaffensphasen und wie sehr sich die Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden Ende unterscheiden kann.

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