Warum der Schufa-Skandal eine gute Nachricht ist
Tim Wegner
08.06.2012

  Die Schufa überlegt nun also, wie sie das Internet nutzt, um mehr über uns zu erfahren. Das Informationsradio „NDR Info“ hat herausgefunden, dass die Wiesbadener Auskunftei prüft, inwieweit sich Daten über uns im Internet einsammeln lassen – und alle regen sich auf.

Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU, erklärt eilig, die Schufa dürfe nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden. Renate Künast von den Grünen gibt fleißig Radiointerviews und profiliert sich als Datenschützerin – wohl auf, um dieses Feld nicht mehr den viel moderner wirkenden Piraten zu überlassen, deren Vorsitzender Bernd Schlömmer hinter den Schufa-Plänen einen Angriff aus das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sieht. Diese ganze Aufregung ist eine sehr gute Nachricht. Warum?

Nach eigenen Angaben speichert die Schufa Informationen über das Zahlungsverhalten von mehr als 66 Millionen Personen in Deutschland. Also von fast allen Menschen, rechnet man die Minderjährigen einmal heraus. Wir alle haben mit der Schufa zu tun – es ist gut, wenn wir das nun zur Kenntnis nehmen. Denn das Wissen der Schufa ist mächtig. Die gesammelten Daten entscheiden zum Beispiel darüber, wer einen Mietvertrag bekommt. Oder eine Kreditkarte. Oder ein Girokonto. Oder, oder, oder.

Sechs Millionen Menschen haben einen schlechten Ruf

Zwar gibt die Auskunftei an, dass „zu mehr als 91 Prozent der Personen ausschließlich positive Informationen zu vertragsgemäßem Zahlungsverhalten vorliegen“. Im Klartext: Umgerechnet rund 60 Millionen Bürger, die bei der Schufa erfasst sind, zahlen zuverlässig und pünktlich; sie gelten daher als kreditwürdig. Aber das bedeutet auch: sechs Millionen Bürger gelten als weniger verlässlich – und haben daher vermutlich bisweilen Schwierigkeiten, Verträge abzuschließen.

Die Frage ist nun: Was verrät unser Verhalten im Internet über uns? Ein fiktives Beispiel dafür, dass das Netz deutlich mehr als sechs Millionen Menschen in ein weniger schönes Licht rückt: Schon unsere Freunde im richtigen Leben können wir uns nicht immer aussuchen – und erst recht nicht unsere Bekanntschaften in der virtuellen Welt. Wer hat noch nie in einem sozialen Netzwerk wie Facebook – und sei es nur der Höflichkeit halber – auf die Freundschaftsanfrage eines Menschen reagiert, den man eigentlich kaum kennt? Warum sollte es jemandem zum Nachteil gereichen, dass dieser Mensch, warum auch immer, einige Handyrechnungen nicht bezahlt – und darum einen Schufa-Eintrag kassiert hat? Was sagt das über unsere Kreditwürdigkeit aus? Also darüber, dass man uns im Wortsinne vertrauen kann? Gar nichts! Daher auch die berechtige Aufregung auf die Ergebnisse der NDR-Recherchen. Jede Wette, die Schufa wird ihre Überprüfung, inwieweit die Datenflut im Internet ihr bei ihrem Geschäft helfen kann, schnell fallen lassen. Auch das ist eine gute Nachricht.

Der beste Datenschutz: Datensparsamkeit

Und dann? Das Internet verlangt dennoch weiter nach Daten. Es ist gut – und auch das zeigt dieser Skandal, dass die Sensibilität der Medien und der Menschen wächst. Unsere eigene Verantwortung für uns aber ersetzt das nicht. Und die besteht darin, genau zu überlegen, was man im Netz über sich verrät.

Denn der Datensatz, der für wirtschaftliche Interessen am nutzlosesten ist, ist der, denn wir gar nicht erst hinterlassen – das Gebot der Datensparsamkeit. Datenfreizügigkeit (oder Datenleichtsinn), das ist die Lehre aus der Schufa-Geschichte, ruft Geister hervor, die eigentlich niemand rufen wollte.

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