Vom Schulhof in die Kirche
Ruhe! Die gibt’s nicht auf dem Schulhof, aber in der Kirche. Nichts wie hin – in der großen Pause
Hedwig Gafga, Autorin
13.12.2010

chrismon: Schüler der Max-Brauer-Schule in Hamburg-Altona können donnerstags in der Mittagspause für eine Stunde in die Paul-Gerhardt-­Kirche kommen, für eine Zeit der Stille. Was tun sie hier?

Annika Woydack: Sie können Zeit ge­nießen, das ist unsere Idee. Es kommen dreißig bis fünfzig Schüler. Manche wollen nur ein bisschen in der Kirche sitzen, manche malen Mandalas, andere bringen Bücher mit oder balancieren auf ­einer ­Linie. Sie können auch nach unten in unsere Sakristei gehen, einen sehr schönen Raum, in ihm herrscht absolutes Schweigen.

Das ist ungewöhnlich. Wie ist die Idee entstanden?

Ich habe in einer evangelischen Schule gearbeitet, bevor ich an dieser Kirche Pastorin wurde. Daher mein großes Interesse, mit der benachbarten Schule zu kooperieren. Ich bin zur Schulleitung gegangen und habe gefragt: „Was braucht ihr?“ Im Gespräch entstand die Idee. In den fünften Klassen habe ich unsere Idee vorgestellt und hinzugefügt: Guckt, ob das ein Ort ist, den ihr braucht. Wenn nicht, dann sucht euch lieber einen anderen Ort, an dem ihr toben und auch laut sein könnt.

Still sein ist für Kinder schwierig. Wie gelingt das?

Es gelingt meistens, nicht immer. Oben in der Kirche darf geflüstert werden, unten nicht einmal das. Ich verstehe mich als Wächterin der Stille, die aufpasst, dass die, die gerne still sein wollen, zu ihrem Recht kommen. Jedes Kind soll lernen, was ihm selbst am besten bekommt.

Wie unterstützen Sie die Kinder dabei, Stille durchzuhalten?

Eine Mutter macht mit. Sie achtet in der Sakristei darauf, dass es ruhig bleibt. Sonst würden sich die Kinder den Raum selber wegnehmen, den wir ihnen geschaffen haben.

Und wenn es doch laut wird...

...sage ich: Geht lieber in die Turnhalle. Es ist ja ein freiwilliges Angebot.

Was verspricht sich die Schule davon? Und was die Kirche?

Für die Schule bedeutet es: mehr Platz, mehr Raum, mehr Luft. Das wird dankbar aufgenommen. Wenn Kinder von morgens um acht bis nachmittags um vier auf engstem Raum zusammen sind, braucht es einen solchen Ort. Umgekehrt wollen wir unsere Kirche öffnen, Menschen willkommen heißen. Wir wollen die Kinder nicht vereinnahmen. Es hat sich in diesem Jahr trotzdem ergeben, dass sich aus diesem Kreis drei Schülerinnen bei uns als Konfirmandinnen angemeldet haben. Aber das hatte ich gar nicht im Sinn.

In der Pause in die Kirche – fanden die Eltern die Idee gut, oder gab es auch Kritik?

Keine Kritik, im Gegenteil. Von der Schulleitung hörte ich, dass Eltern sich darüber freuen. Es kommen auch viele muslimische Kinder. Die Paul-Gerhardt-Kirche will eine Oase für den Stadtteil sein. Es geht uns um den Dialog, darum, dass man einander zuhört.

Können Sie anderen Gemeinden empfehlen, es Ihnen nachzumachen?

Ja, wenn Kirche und Schule nah beieinanderliegen und die Schule es auch will. Wobei die Max-Brauer-Schule eine be­sonders offene Gesamtschule ist, die mit vielen Einrichtungen im Stadtteil zusammenarbeitet. Das sind gute Voraussetzungen.

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